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Sanft gegrillt. Lambchop.

© Bill Steber photography

Lambchop im Heimathafen Neukölln: Ein Fluss traumhafter Wendungen

Countrysoul der magischen Art: Lambchop aus Nashville geben ein gefeiertes Berliner Konzert

Auf der Bühne bilden die Musiker von Lambchop einen Halbkreis. Dass sich alle gut im Blick haben und im Ohr. Gleichzeitig stehen sie offen zum Publikum, zugewandt, einander und den Hörern. Sehr ruhig und kammermusikalisch strömen die warmen Klänge von „The Old Shoe“ in den Heimathafen Neukölln. Es ist der erste Song vom Album „Nixon“, das der Sänger und Songschreiber Kurt Wagner aus Nashville und seine formidable Band heute, fünfzehn Jahre nach dem Erscheinen, in voller Länge aufführen.

Links zeigt Scott Martin die hohe Kunst des gedämpft zurückhaltenden, doch immer präzisen Schlagzeugspiels. Matt Swanson malt melodische Bassfiguren darunter, William Tyler sprengselt feine Fills von der Telecaster drüber. Ryan Norris hat eine Gitarre auf dem Schoß und ein Keyboard unter den Fingern – Vibraphonklänge. Matt Glassmeyer hält zunächst einen Getränkebecher, aber dann entwickelt er sich schnell zum Primus Inter Pares in der Klangwelt eines berauschenden Konzertes. Die Streicher der Studioaufnahmen von „Nixon“ ersetzt er abwechselnd durch Saxophon, Flöte, Kornett und Klarinette. Und gibt den Arrangements dadurch einen feinen neuen Anstrich, fast etwas Van Morrison’sches, akzentuiert durch die beinahe bildungsmusikalisch anmutenden Piano-Ornamentierungen von Tony Crow.

Rechts sitzt Kurt Wagner mit schwarzer Truckerkappe, dicker schwarzgeränderter Brille und pickt dezent seine alte Gibson L7. Er singt mit warmem Bariton, der vom flüsternd rhythmischen Gemurmel immer wieder hochspringt ins melodische Curtis-Mayfield-Falsett. Die Leute reißen die Arme hoch vor Begeisterung, mitgerissen vom viel schneller als im Original gespielten „Up With The People“, dem vielleicht besten Stück von „Nixon“. Stürmischer Beifall für ein berauschendes Ensemble-Spiel, vor allem auch für die immer wieder frei gelassenen Stellen, die fallen gelassenen Maschen im sonst so dichten Klanggewebe. Diese Musik ist keine modische Masche, sondern etwas ganz Eigenes – „eine neue Art von Soul“, „eine neue Art von Country“, wie es auf dem Cover zu „Nixon“ geheißen hatte. Vielleicht auch eine neue Art von Jazz und Kunstlied.

Wie ein breiter ruhiger Strom klingt es, immer im Fluss traumhafter melodischer Wendungen. Ungebunden, unbefestigt, uferlos. Treibend in klaren rhythmischen Bahnen, mit gewaltigem Tiefgang und kleinen Strudeln, dunklen Verwirbelungen auf der Oberfläche. Dazwischen flirren gleißende Glitzerpunkte auf zwischen Kurt Wagners ständigem „Stream of Consciousness“, dem Strom seines Unbewussten, der rätselhaften Poesie seiner Songtexte. Und ganz zum Schluss noch eine wunderbar lambchopisierte Version von David Bowies „Young Americans“. Magische 90 Minuten.

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