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Die Sänger Kristine Opolais und Marcelo Alvarez als Tosca und Cavaradossi auf der Bühne. Sie spielten das Stück Anfang April in Baden-Baden.

© Winfried Rothermel/dpa

„Tosca“ mit den Berliner Philharmonikern: Im Opernkrimi sind die Musiker die Stars

Vibrierend, berstend vor Wonne und Lust am Spiel: Die Philharmoniker führen Puccinis Oper „Tosca“ auf - mit Kristine Opolais und Stefano La Colla als Sänger.

Es ist, als wolle Simon Rattle gleich mal klarstellen: „Tosca“ hat zwar einen Maler zur Hauptfigur, ist aber deswegen noch lange kein mit leichter Hand hingetupftes, lyrisches Klanggemälde. Sondern ein greller Schocker, ein Opernkrimi. Entsprechend dramatisch dirigiert er Puccinis Partitur. Schon die ersten drei Takte: eine Setzung. Glänzend gelingen den Berliner Philharmonikern bei dieser konzertanten Aufführung in der Philharmonie – die sie aus Baden-Baden mitgebracht haben – die fünf sinistren Akkorde, tutta forza, mit denen das Stück eröffnet: Scarpias Motiv. Um gleich danach in flockig gespielte, dahinstolpernde chromatische Synkopen überzugehen, die den Flüchtling Angelotti ankündigen.

115 kurze Minuten entführen Rattle und das Orchester die Zuhörer ins Rom des Jahres 1800. Vibrierend, berstend vor Wonne und Lust am Spiel, mit subtiler, immer genau gefühlter und erahnter Dynamik, bei der in der Enthemmung schon der nächste Dämpfer mitschwingt. Dazu ein raffiniertes Streicherfundament, markant-erotische Bläserakzente, leuchtende Leitmotivik und ein feines Gespür für das musikalische Spiel mit Vorder- und Hintergrund, das Puccini hier betreibt. Etwa im Finale des ersten Aktes in der Kirche Sant’ Andrea della Valle, wo der Rundfunkchor ein stimmgewaltiges Te Deum anstimmt, das mit dem Orchester und einem sich langsam in sexuelle Allmachtsfantasien hineinschraubendem Scarpia in ein Panorama von überwältigender Tiefenstaffelung mündet. Rattle betätigt sich als Klangfarbenmaler, und die Philharmoniker folgen ihm lustvoll in alle Details der Partitur, wie den weltschmerzentrückten Klarinetten bei Cavaradossis „E lucevan le stelle“-Arie oder dem gnadenlos gleißenden Blech während der Exekutionsszene.

Das Orchester ist der Star, nicht die Sänger

Die Rangordnung ist klar: Wenn die Philharmoniker mal Oper machen, ist das Orchester der Star, nicht die Sänger. Die schlagen sich zwar tapfer, aber es ist nicht die erste Garde, die geholt wurde. Kristine Opolais: eine Tosca mit herb-metallischem Reiz und einem Schuss zu viel Vibrato im Sopran, von der Erscheinung her Typ Eisprinzessin. Bei allem Engagement hat man doch den Eindruck, dass sie innerlich unbeteiligt und vor allem im zweiten Akt unter ihren Möglichkeiten bleibt. Stefano La Colla ist ein Cavaradossi mit schmachtend-sahnigem Timbre, hält aber seine Dynamik nicht immer im Zaum und wird in der Höhe schnell eng. Das Böse-Buben-Image hat Evgeny Nikitin (Scarpia) seit seinem Bayreuther Hakenkreuztattoo-Skandal weg, sein Bariton ist demgegenüber überraschend hell, ihm fehlt die sardonische Färbung, und gegen Ende hin kann er sich kaum noch gegen das Orchester durchsetzen.

Es ist eine „Tosca“, der es an leidenschaftlichen Persönlichkeiten in den Hauptpartien fehlt. Dafür gibt es sie in den Nebenrollen: Alexander Tsymbalyuk mit schwarzschimmerndem Bass als Angelotti, Maurizio Muraro als wohlig vor sich hingrummelnder Mesner – oder Wiener-Staatsoper-Urgestein Walter Fink als Schließer, der mit einem einzigen herausgeschleuderten „L’ora“ („Es ist Zeit!“) mehr Eindruck macht als mancher Sänger an einem ganzen Abend.

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