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10 Jahre Gallery Weekend Berlin: Die besten Ausstellungen - Michael Sailstorfer

Der Berliner Künstler Michael Sailstorfer stellt in der Berliner Kirche St. Agnes aus - den künftigen Ausstellungsräumen der Galerie Johann König

Die Blätter einer prächtigen Esche rascheln im Wind. Das ist nicht einfach ein Baum, sondern eine Skulptur, die alle Blicke auf sich zieht – wie Jesus am Kreuz. Der Baum thront als riesige Videoprojektion im ehemaligen Kirchenraum von St. Agnes, den Johann König seit zwei Jahren als Ausstellungsort nutzt. Die Leinwand schwebt scheinbar frei in dem hohen Raum, dort, wo früher einmal der Altar stand.

Michael Sailstorfer, gebürtiger Bayer, seit zehn Jahren in Berlin lebend, ist nach Alicia Kwade und Jeppe Hein der dritte Künstler, der in St. Agnes ausstellen darf. Der Bildhauer, der seine Skulpturen meist ortsspezifisch und oft im Freien installiert, beherrscht auch diesen Ort mit Leichtigkeit.

Sailstorfer lässt einen Baum schweben

In „Antiherbst“ geht es Sailstorfer erneut um den Moment der Transformation. Die Arbeit entstand ursprünglich im Rahmen der Ausstellung Emscherkunst im vergangenen Jahr. Dort hatte sich Sailstorfer einen Baum vorgenommen. Als mit dem Herbst dessen Blätter fielen, sammelte er das Laub ein, färbte es grün und befestigte es wieder an den Ästen. Während sich die Landschaft rundum änderte, blieb der Baum grün belaubt. Diesen Prozess hat Sailstorfer filmisch festgehalten. Mit der monumentalen Videodokumentation gelingt dem Künstler in St. Agnes eine weitere Transformation: Die Galerie wird wieder zur Kirche. Schließlich ist eine Kirche ein Ort, an dem der Mensch das Leben begreift.

Auch wenn der Künstler den Herbst aufhält, die Welt dreht sich weiter. Die Gleichzeitigkeit von Macht und Ohnmacht vermittelt sich auch in einer zweiten Installation, die in der Marienkapelle unablässig ächzt. Es ist ein hölzernes, von Wasser angetriebenes Mühlrad, das einen Autoreifen in Bewegung bringt, der sich am Kirchenboden kontinuierlich abscheuert. Mit „Reibungsverlust am Arbeitsplatz“, so der Titel, wechselt Sailstorfer behände vom Erhabenen ins Profane, paart er das Sakrale des Raumes mit dem subtilen Humor seiner Skulpturen. Auch wenn alles Tun ins Leere läuft, stiftet das Tun allein Sinn. Der Künstler predigt gegen Verzweiflung mit ästhetischen Mitteln.

St. Agnes, Alexandrinenstr. 118–121, bis 7.5.; täglich 11–18 Uhr.

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