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20. Tanztage Berlin: Shoppen und Hüpfen

Die 20. Tanztage Berlin sind eröffnet

Von Sandra Luzina

Der Geburtstagsgruß kam zum Schluss – nachdem die Geduld der Zuschauer arg strapaziert worden war. Die Tanztage Berlin läuten wieder einmal das neue Jahr ein, und da diesmal bis zum 15. Januar die 20. Ausgabe des Nachwuchsfestivals präsentiert wird, haben sich neben den jungen Talenten und Newcomern viele Überraschungsgäste angekündigt. Nir de Volff war der erste Gratulant aus dem großen Reigen der ehemaligen Teilnehmer.

Ganz der Sunnyboy, hatte der Israeli einen Chor aus neun Künstlern mitgebracht: Mit Kostümen in warmen Gelbtönen strahlten sie um die Wette. Der Allstar-Song „We are the world“ wurde munter gecovert: „There is a chance, there is a budget.“ Da das Geld nicht auf der Straße liegt, fordert de Volff, gleich ein paar Milliönchen von der Staatsoper abzuzweigen. Ein frommer Wunsch. Doch immerhin lenkt Nir de Volff den Blick auf die prekäre Situation der freien Szene.

Die 20. Ausgabe der Tanztage ist auch für den Kurator Peter Pleyer nicht nur ein Grund zum Feiern. Denn mit 50 000 Euro Förderung ist das Festival chronisch unterfinanziert. „Es bleibt immer weniger für die Künstler übrig“, klagt Pleyer. 1996 wurden die Tanztage Berlin von Barbara Friedrich aus der Taufe gehoben – damals fand die Reihe noch im Kulturzentrum Pfefferberg statt. Seit 2001 werden sie in den Sophiensälen präsentiert. Es sind nicht nur die Enthusiasten, die sich hier vor dem Kassenhäuschen drängen, auch Produzenten und Talentscouts schauen regelmäßig vorbei. Längst haben die Tanztage eine Ausstrahlung weit über Berlin hinaus.

Leider hatte Pleyer diesmal kein gutes Gespür, was die Eröffnungsproduktionen betrifft. Clément Layes hat sein Solo „Allege” zu einem Quintett erweitert. Die Fragestellung von damals hat er weiterverfolgt: „Wie kann ich frei sein innerhalb der absurden Beschränkungen, denen ich ausgesetzt bin, ohne zu verstehen, weshalb?“ Alltagsobjekte wie eine Plastikflasche oder ein Paddel werden mit pompöser Geste präsentiert – als hätten alle Performer ein Praktikum bei einem Shopping-Sender gemacht. Die fünf hocken im Halbkreis um einen ramponierten Sessel und beginnen mit dem Satz „Das ist ein Stuhl“ das erste von mehreren Sprachspielen. Jeder in der Runde greift die Aussage seines Vorgängers auf, modifiziert sie. Später werden die Gegenstände umbenannt und wahllos kombiniert, sodass sich immer neue sinnlose Aussagen ergeben. Zum Schluss werden alle Objekte zu einer wackeligen Assemblage geschichtet. Layes wollte wohl in den Fußstapfen Marcel Duchamps wandeln mit dessen Ready-Mades. Doch die Räumaktionen gehen so umständlich über die Bühne, die Sprachspiele sind so lahm, dass sich bald Langeweile einstellt.

Wenn Uri Turkenich und Nils Ulber in „Material Movement“ auf Turnschuhen hereingehoppelt kommen, erinnert das stark an Sackhüpfen – nur ohne Sack. Die beiden hüpfen und quasseln, quasseln und hüpfen. Die hochtrabenden Phrasen wirken wie von einem Textprogramm generiert. Die körperlichen Praktiken erschöpfen sich in minimalen Sprungvariationen. Die sinnlose Verausgabung auf der Bühne soll wohl eine Kritik am Turbokapitalismus sein. Doch die Performer stellen sich nur selbst ein Bein. All die sprachlichen Anstrengungen können nicht verbergen, dass diese Newcomer sich ihrer Ausdrucksmittel nicht sicher sind. Sandra Luzina

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