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Kultur: 37 neue Kardinäle - Der Papst regelt sein Erbe: Seine Mission ist erfüllt

Als der frischgewählte Pontifex die weißen Papstgewänder angelegt hatte und in die Sixtinische Kapelle zurückgekehrt war, gingen die Kardinäle einzeln zu Karol Wojtyla, um ihn zu umarmen und zu gratulieren. Der polnische Primas Stefan Wyszynski erhielt die längste Umarmung an jenem denkwürdigen 16.

Als der frischgewählte Pontifex die weißen Papstgewänder angelegt hatte und in die Sixtinische Kapelle zurückgekehrt war, gingen die Kardinäle einzeln zu Karol Wojtyla, um ihn zu umarmen und zu gratulieren. Der polnische Primas Stefan Wyszynski erhielt die längste Umarmung an jenem denkwürdigen 16. Oktober 1978. "Du wirst die Kirche in das nächste Jahrtausend führen", raunte der eigenwillige Warschauer Oberhirte dem Neugewählten zu. Und er sollte Recht behalten. Gut 22 Jahre steht Johannes Paul II. mittlerweile an der Spitze der Kirche und rangiert damit in Sachen Amtszeit unter den "Top-Ten" der Päpste. Vor einigen Monaten überrundete er die bisherige "Nummer zehn", Urban VIII. aus dem 17. Jahrhundert. Der 80-jährige Pole, der erste Nicht-Italiener auf dem Stuhle Petri seit 1522, hat die katholische Kirche in das 3. Jahrtausend geführt und seine Amtszeit mit dem Heiligen Jahr 2000 gekrönt.

Johannes Paul II. gestaltete die Feiern zu einem kirchlichen und theologischen Jahrhundertereignis. Mit dem "Mea Culpa", dem großen Schuldbekenntnis für die Sünden der Kirche, entschuldigte er sich vor den Augen der Welt bei den unzähligen Opfern der Kreuzzüge und der Inquisition. Ebenso spektakulär war seine Reise in das Heilige Land, seine Besuche in Jerusalem und Bethlehem, an der Klagemauer und in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vaschem. Israel und Palästina erlebten damals den größten Ansturm christlicher Pilger seit Menschengedenken. Nach Rom kamen während der zwölf Jubiläumsmonate über 25 Millionen Menschen - ein Drittel mehr als zu normalen Zeiten.

Geschickt nutzte Johannes Paul II. das triumphale Ende des Jubeljahres, um sein konservatives Vermächtnis ein erneutes Mal festzuzurren. Vor den Augen von 100 000 Gläubigen auf den Petersplatz unterschrieb er am ersten Januar-Wochenende das Dokument "Novo Millennio Ineunte" (Zu Beginn des neuen Jahrtausends) - eine Bilanz seiner Amtszeit und eine klare Absage an alle Reformkräfte in der katholischen Kirche. Ohne direkt auf kritische Stimmen unter deutschen und anderen europäischen Bischöfen einzugehen, forderte er, die Entscheidungen der Ortskirchen müssten mit der "Universalkirche" in Rom in Einklang gebracht werden. Die Kirche folge "bekanntlich nicht den Kriterien der parlamentarischen Demokratie", heißt es in dem Text.

Zugleich rief er die katholische Kirche zu neuem Schwung und Elan auf. Gläubige sollten sonntags wieder mehr in die Kirche gehen, Familien Bibelstunden veranstalten. Leidenschaftlich werden Ehen ohne Trauschein oder homosexuelle Partnerschaften abgelehnt: "Die Kirche darf in diesem Punkt dem Druck einer bestimmten Kultur, mag sie auch weit verbreitet und mitunter kämpferisch sein, nicht nachgeben."

Die Chancen einer Annäherung an andere christliche Kirchen beurteilt der Papst in seinem apostolischen Brief eher skeptisch. Zwar heißt es, der Dialog müsse weitergehen. "Der ökumenische Weg bleibt sicher mühsam, vielleicht ist er noch lang". Glaube und Kirche dürften durch die Ökumene "nicht Gegenstand einer Art von dialogischer Verhandlung sein, so als ginge es für uns um eine bloße Meinung" - ein Tenor, der bereits in dem von Kardinal Ratzinger erarbeiteten umstrittenen Schreiben "Dominus Iesus" vorherrschte.

So sehr das Heilige Jahr 2000 für Johannes Paul II. Ansporn und Auftrieb war, seiner Gesundheit hat er in dieser Zeit erkennbar viel abverlangt. Er wirkt sichtlich geschwächt, seine linke Hand zittert. Offenbar schwinden seine Kräfte, Alter und Krankheit schreiten voran. An einen Rücktritt scheint er nicht zu denken, auch wenn er Anfang der neunziger Jahre nach einer Reihe schwerer Operationen mal erwogen haben soll, sich in ein polnisches Kloster in der Hohen Tatra zurückzuziehen. Bereits in diesem Frühjahr will das Kirchenoberhaupt wieder auf Reisen gehen - nach Syrien, in die Ukraine und nach Armenien. Ein Besuch in Moskau, dem dritten Rom, steht ebenfalls noch auf der Wunschliste des zähen 80-Jährigen.

Über Rücktritt und Nachfolge des Papstes wird hinter den vatikanischen Mauern zwar nicht laut gesprochen, aber getuschelt wird seit langem. Spekulationen über den nächsten Mann an der Spitze gehören mittlerweile zur Lieblingsbeschäftigung auf den Fluren der Kurie. Das Machtgerangel um "einen Neuen" hat längst begonnen. Vorsichtig bringen Bischöfe und Kardinäle ihre Anhänger in Stellung. Vorschläge werden in die Diskussion geworfen, um die Wirkung zu beobachten.

Denn bei der nächsten Papstwahl geht es nicht nur um eine neue Person, sondern auch um die Suche nach einem neuen Verständnis des obersten katholischen Amtes. Immer mehr Bischöfe, aber auch eine reformoffene Minderheit in der Kurie, halten die Beziehungen zwischen der römischen Zentrale und den Ortskirchen für dringend reformbedürftig. Zusätzlich bewegt sich der innere Schwerpunkt der katholischen Kirche aus Europa weg nach Afrika, Asien und Lateinamerika. Das Papsttum als sichtbares Einheitsamt der katholischen Kirche muss nicht nur dem wachsenden Unmut des Weltepiskopates Rechnung tragen, es muss auch sich verändernde Gewichte innerhalb der Kirche verkörpern.

Jahrhundertelang ging das höchste Amt nur an Italiener, vor dem Polen Karol Wojtyla war lediglich zu Zeiten Luthers der Niederländer Hadrian VI. auf dem Papstthron, bevor er nach nur einem Jahr Kampf mit der reformunwilligen Kurie starb. Der nächste Papst dagegen könnte durchaus ein Lateinamerikaner oder Afrikaner sein, räumte Achille Silvestrini ein, gerade von seinen Ämtern zurückgetretener italienischer Kurienkardinal. Als Papabile gehandelt werden nicht nur der kolumbianische Kardinal Castrillón Hoyos oder der nigeriansche Oberhirte Francis Arinze. Auch dem Mailänder Kardinal Carlo Maria Martini, einem Theologen von internationalem Ruf, werden Chancen eingeräumt. Doch die Herren in der Sixtinischen Kapelle - das zeigt die historische Erfahrung - neigen zu Überraschungen. Jede Papstwahl in der totalen Abgeschiedenheit der vatikanischen Gemächer folgt eigenen Gesetzen, wissen erfahrene Vatikanologen: "Und wer bereits als Papst ins Konklave geht, kommt ganz sicher als Kardinal wieder heraus."

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