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Kultur: "39, 90": Beigbeder jetzt auf der Bühne!

Einmal, denkt das Theater und beißt sich auf die kurzgeschnittenen Nägel, einmal Gesprächsthema in deutschen Kantinen sein! Einmal Naddel um Brustlängen übertreffen.

Einmal, denkt das Theater und beißt sich auf die kurzgeschnittenen Nägel, einmal Gesprächsthema in deutschen Kantinen sein! Einmal Naddel um Brustlängen übertreffen. Was hat das Theater in seinem moralischen Anstaltskittel nicht alles versucht, um Luder zu werden. Das Theater Düsseldorf zum Beispiel. Es hat Filmregisseure um Inszenierungen angebettelt, bloß damit ein wenig von deren Glanz ins Haus weht. Es hat Skandale vom Zaun gebrochen, hat gekrönte Kinofilme und berühmte Bücher nachgespielt, und eine Zeitlang hatte es sogar einen Marketingmenschen im Direktorium sitzen. Hip sein und gehypet werden, das möchten unsere braven Bühnen. Und der Hype des Hype ist "39,90".

Das ist ein Roman, der einfach heißt, was er kostet. Seine Textbausteine stammen aus dem Computer von Frédéric Beigbeder, als der noch in der Agentur Young & Rubicam stand, wo er als Topwerber Kunden und Käufer für dumm verkaufte. "Ein Volk, ein Reich, ein Joghurt. Es ist kein großer Unterschied zwischen liquidieren und konsumieren", wütet das Buch und verschaffte Beigbeder den erhofften Scoop: den Rausschmiss aus der Agentur und die Landung on top einer anderen Branche, dem Buchskandalmarkt. Das wiederum verschaffte Beigbeder unzählige Fernsehauftritte, in denen er nun sein Image als "Revoluzzer in Gucci" pflegt und sich mit Michel Houellebecq und Bret Easton Ellis im selben Atemzug nennen lässt. Im Unterschied zu diesen aber hat Beigbeder keine Literatur verfasst, sondern ein Sprechblasenpamphlet, das den Gestus des Kritischen so zynisch einsetzt, wie es Benetton gespielt blauäugig tut.

Das ist geil, das lässt sich weiter hypen, jauchzt unser Düsseldorfer Theater und hat "39,90", das Nichts in der Wirkungstüte, auf die Bühne geholt. Dort wird nun die selbstbezichtigende Welt von Beigbeders Roman-Alter Ego Octave Parango laufen gelassen: "Ich bin der Typ, der Ihnen Scheiße verkauft und Sie von Sachen träumen lässt, die Sie nie haben werden." Aber à la mode mit Videobeamer und Handycam und unterbrochen von Werbepausen. Hype auf Hype auf Hype, die Bühne hat endlich den Anschluss an die Zeit geschafft. Und während Octave und seine Kollegen selbst in Düsseldorf aufhorchen lassen, wenn sie grinsend 30 000 Euro monatlich einstreichen, verschweigt das Theater, dass bei ihm ein Top-Regisseur für eine Inszenierung schon mal das Dreifache verlangen darf. Und hier die weiteren Pläne des Düsseldorfer Schauspiels: Als nächstes wird es zur Adventszeit jede Woche eine neue Geschenkwelt vom Kaffeeladen inszenieren. Danach eine Tüte Lakritz. Und zum Schluss eine lange lila Pause.

Ulrich Deuter

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