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Das alternative Museum für zeitgenössische Kunst

© Heiko Klaas

40 Jahre Museum PS1 in New York: Schön schäbig

Das New Yorker Museum PS1 war Pionier bei der Nutzung alternativer Räume. Jetzt wird es 40.

Bröckelnder Putz, abblätternde Farbe. Die ehemalige Public School No. 1 im New Yorker Stadtteil Queens bot Mitte der 1970er Jahre ein ziemlich jämmerliches Bild. Alanna Heiss, Mitgründerin des Alternative Spaces Movement in New York, hielt das nicht ab, sich trotzdem für das neoromanische Backsteingebäude von 1892 zu interessieren. Mit der Stadt handelte sie einen auf zunächst 20 Jahre befristeten Nutzungsvertrag und eine sensationell günstige Jahresmiete von 1000 Dollar aus. Das Geld für eine zumindest den Bestand sichernde Renovierung trieb sie außerdem auf. 1976 eröffnete die bis heute auf Ausstellungen zeitgenössischer Kunst spezialisierte Institution als PS1 Contemporary Art Center, das Alanna Heiss bis 2008 als Direktorin leitete.

In diesem Sommer feiert das Haus, das nach wie vor über keine eigene Sammlung verfügt, sein 40-jähriges Bestehen mit der von Heiss kuratierten Jubiläums- Ausstellung „Forty“. Die 73-Jährige kehrte noch einmal an ihre Wirkungsstätte zurück, die seit 2010 von Klaus Biesenbach geleitet wird. Biesenbach hatte 1991 die Kunst- Werke in der Berliner Auguststraße und 1996 die Berlin-Biennale gegründet. Im gleichen Jahr ging er nach New York, um als Kurator am PS1 zu beginnen.

Das PS1 war der Kulminationspunkt einer Entwicklung von "Alternative Spaces"

Die Jubiläumsausstellung bringt Arbeiten von über 40 Künstlern zusammen, die in der Gründungsphase des Kunstzentrums zu den Schlüsselfiguren der internationalen Avantgarde gehörten, darunter Laurie Anderson, Carl Andre, Daniel Buren, Brian O’Doherty, David Hammons, Nam June Paik und Lawrence Weiner. Die Schau knüpft an die Eröffnungsausstellung von 1976 an, die unter dem Titel „Rooms“ ein Kapitel New Yorker Kunstgeschichte schrieb. Knapp 80 Künstler waren damals aufgerufen, sich mit ortsspezifischen Arbeiten in das sperrige, nahezu baufällige Gebäude einzuschreiben. So wurden Werke in ehemaligen Klassenzimmern, in der Heizzentrale, in Treppenhäusern und Abstellkammern realisiert. „Rooms“ gilt seither als bahnbrechende Ausstellung für den Umgang mit ortsspezifischen Herausforderungen.

Die Eröffnung des PS1 vor vierzig Jahren markierte aber auch den vorläufigen Kulminationspunkt einer Entwicklung der „Alternative Spaces“, die erst wenige Jahre zuvor in Manhattan eingesetzt hatte. Heiss selbst hatte 1971 unter dem absichtlich hochtrabend gewählten Namen „The Institute for Art and Urban Resources“ ein Projektbüro eröffnet, das die Suche nach leerstehenden Studio- und Ausstellungsräumen professionalisieren sollte. „Forty“ ruft den damaligen Pioniergeist noch einmal in Erinnerung, unterzieht ihn aber gleichzeitig auch einer kritischen Revision. Denn es ist viel geschehen seit 1976.

Temporäre Ausstellung Orte bei "Rohkunstbau"

Mit der Angliederung an das Museum of Modern Art im Jahre 2000 und der gleichzeitigen Umbenennung in MoMA PS1 wurde das einstige Flaggschiff der „Alternative Spaces“ sozusagen vom System geschluckt. Anders formuliert: Zwei gegenläufige Entwicklungen haben zusammengefunden. Einst angetreten gegen die bürgerliche Praxis des Ausstellens in neutralen White Cubes, haben sich die ehemaligen Gründer und Betreiber von Alternative Spaces längst selbst etabliert. Ob in den Anfangsjahren der Berliner Kunst- Werke, während diverser Berlin Biennalen in aufgelassenen Räumen wie der ehemaligen Jüdischen Mädchenschule oder auf Biennalen in aller Welt: Lange Zeit kam keine Großausstellung ohne den Charme des Unrenovierten aus. Auf die diskrete Eleganz des maßvoll Schäbigen setzt auch nach wie vor der „Rohkunstbau“, ein jährlich wiederkehrendes Ausstellungsformat, das schon so manches leerstehende Schloss oder Herrenhaus in Brandenburg zu einem temporären Ausstellungsort umfunktioniert hat.

Die einst im PS1 geborene Ausstellungspraxis hat sich also längst weltweit etabliert. Als Unique Selling Point des PS1 taugt sie daher nur noch bedingt. PS1-Hausherr Klaus Biesenbach, der parallel zu „Forty“ eine sehenswerte Vito- Acconci- Retrospektive (bis 18. 9.) zeigt, formulierte sein Credo daher schon bei seiner Ernennung zum Direktor so: „PS1 wird niemals damit aufhören, sich immer wieder neu zu erfinden, genau wie auch die zeitgenössische Kunst vom ständigen Wandel geprägt ist.“ Rund ein Dutzend Ausstellungen pro Jahr stellen das eindrucksvoll unter Beweis. Unter Biesenbach, der gleichzeitig als leitender Kurator am MoMA tätig ist, avancierte das PS1 zu einem international beachteten Ausstellungsort mit einem gewissen German Touch. Und das nicht nur inhaltlich: Die Volkswagen Group of America zählt seit fünf Jahren zu den Hauptsponsoren.

Das PS1 punktet vor allem in der lokalen Kunstszene

Zu den Highlights der letzten Jahre gehörte beispielsweise 2014 eine große Christoph Schlingensief-Schau. Aber auch die Band Kraftwerk war im PS1 zu Gast. Mit Ausstellungsformaten wie „Greater New York“, einer alle fünf Jahre stattfindenden Überblicksschau mit überwiegend jungen Positionen, punktet das PS1 nach wie vor in der lokalen Kunstszene. Auch wenn zuletzt 1997 noch einmal kräftig renoviert wurde: Glamour findet nach wie vor jenseits des East River in Manhattan statt. Das MoMA PS1 dagegen hat eine gute Portion seiner Low- Key-Attitüde ins 21. Jahrhundert hinübergerettet.

MoMA PS1, New York, bis 28. August

Nicole Büsig, Heiko Klaas

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