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"24 Wochen" mit Julia Jentsch läuft als einziger deutscher Beitrag im Berlinale-Wettbewerb. Regie führte Anne Zohra Berrached ("Zwei Mütter").

© Friede Clausz/Beta Cinema/Berlinale/dpa

66. Berlinale: Ab in die Kinohöhle

Vorfreude ist bekanntlich am schönsten. Also gehen wir auf Berlinale-Tuchfühlung und studieren die Hinweise zum Wettbewerb. Huch, nur ein deutscher Film dabei? Ein Kommentar.

Na, schon viereckige Augen? Den Satz wollen wir bitte nie wieder hören, wir Berlinale-Freunde. Dabei klingelt er uns schon jetzt in den Ohren, denn bestimmt werden die Normalos uns spätestens ab Festivaleröffnung am 11. Februar wieder damit behelligen, diese Leute, die während der zehn Berlinale-Tage in jener seltsamen Parallelwelt namens Wirklichkeit leben. Unsereins verschwindet jedenfalls langsam in der Höhle und sieht schon jetzt überall nur noch Kino. Zum Beispiel wenn die Berlinale just dann die letzten Wettbewerbstitel meldet, während im Martin-Gropius-Bau eine Felsbilder-Ausstellung eröffnet. Höhlenzeichnungen, Wüstenmalereien, die Filmkunst der Vorzeit, das passt doch wie die Faust aufs viereckige Auge.

Auf dem Festivalplakat tappt ein ausgewachsener Braunbär aus der Berliner U-Bahn. Der Bär ist los – Versprechen oder Drohung? Wer im Kino gerade Leonardo DiCaprio als „Rückkehrer“ im brutalstmöglichen Kampf mit diesem Grizzly gesehen hat, dem könnte angst und bange werden. Also alle aussteigen bitte, und wo geht’s jetzt wieder zum Berlinale-Palast?

18 Filme nehmen am Bären-Rennen teil, auch ein Acht-Stunden-Werk aus den Philippinen

So eine Wettbewerbstitel-Liste ist ein Wechsel auf die Zukunft, Anlass zum vorfreudigen Rätselraten. 18 Bären-Anwärter treten diesmal an, von B wie Belgien bis V wie Volksrepublik China, auch Polen, Singapur, Iran, Neuseeland und sogar die Philippinnen (mit einem Acht-Stunden-Film: Wettbewerbs-Weltrekord!) sind vertreten. Und Deutschland? Ist mit einem einzigen originären Werk dabei, "24 Wochen" von Anne Zohra Berrached, eine Fernsehspiel-Koproduktion mit Julia Jentsch und Bjarne Mädel.

Wenigstens als Partner bei einigen internationalen Koproduktionen ist Deutschland auch dabei. Aber kein Tom Tykwer, dessen Dave-Eggers-Adaption „Ein Hologramm für den König“ im April startet, keine Helene Hegemann, deren „Axolotl Roadkill“-Verfilmung fix und fertig sein dürfte, keine Nicolette Krebitz, die mit ihrem Liebesfilm „Wild“ gerade in Sundance Weltpremiere gefeiert hat. Und das, obwohl Festivalchef Dieter Kosslick beharrlich seine Charme-Offensive gegenüber der hiesigen Branche fährt.

Keine Deutschen im Wettbewerb, in Cannes, in Venedig, und nun sogar nur einer bei Kosslick? Weil die anderen nichts taugen? Jetzt geht sie wieder los, die Debatte um die Qualität des deutschen Films, um die Frage, ob nur schwache Saison oder chronische Schwäche und ob’s am Geld liegt oder woran denn sonst. Wollte die Berlinale die Filme nicht, wollten die Filmemacher die Berlinale nicht? Ach, was soll’s eigentlich, ist doch ein internationales Weltfilmkunstfest. Mamma mia, würde Meryl Streep wohl sagen, die große Bärenmutter, äh, Jurypräsidentin in diesem Jahr.

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