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Das Album „Der weite Weg“ der Stern-Combo Meißen erschien 1979 auf Amiga.

© dpa/picture alliance / Peter Endig

70 Jahre Plattenlabel Amiga: Sie brachten den Pop in die DDR

Das Deutsche Theater feiert den 70. Geburtstag der legendären Plattenfirma Amiga, dem einzigen Label für Populärmusik in der DDR.

„Die Stern-Combo Meißen hat 2011 einen Sänger gesucht, als es mal wieder Streitigkeiten in der Band gab. Da habe ich mich ganz größenwahnsinnig beworben“, erzählt Manuel Schmid, Sänger und Keyboarder der 1964 gegründeten DDR-Vorzeigeband. Der Progrock-Klassiker „Weißes Gold“ sei sein Lieblingsalbum der Band. Er habe „einfach mal Lust gehabt, das mit der Stern-Combo Meißen zusammen live aufzuführen“, sagt er. Nachdem er mit ihnen bei einer Probe das Album einmal komplett durchgespielt hatte, gaben Thomas Kurzhals und Martin Schreier ihm eine Chance: Ein Testkonzert musste er noch überstehen, dann machten sie ihn zum Sänger.

Manuel Schmid sitzt am Mittwochabend in die Bar des Deutschen Theaters, um bei der Podiumsveranstaltung „Deine Liebe und mein Lied“ an das legendäre Amiga Label zu erinnern, das in diesem Jahr 70 geworden wäre. Und der 33-Jährige redet nicht nur, er singt auch: „Wir sind die Sonne“ von der Stern-Combo Meißen, „Am Abend mancher Tage“ von Lift und „Deine Liebe und mein Lied“ von Holger Biege.

Der deutscheste aller deutschen Schlager

Auch Jörg Stempel, der ehemalige Chef der Plattenfirma, ist an diesem Abend anwesend, um die Geschichte des einzigen Labels für Populärmusik in der DDR Revue passieren zu lassen. Im März 1947 gründete Ernst Busch die „Lied der Zeit Schallplatten-Gesellschaft mbH“, das erste deutsche Schallplattenlabel, mit den Unterlabeln Amiga, das Schlager, Jazz, Chanson und Folklore, später auch Rock und Pop herausbrachte, und Eterna, das Label für klassische sinfonische Musik und Oper. Die erste veröffentlichte Schellackplatte war der laut Jörg Stempel „wohl deutscheste aller deutschen Schlager“: „Die Capri-Fischer“, gesungen von Kurt Reimann.

1954 übernahm die VEB Deutsche Schallplatten Berlin das Label. Bis 1959 presste man Schellackplatten, danach stieg Amiga auf Vinyl um. Angefangen hat Amiga als Label für Jazz und Schlager. Wobei die Firma zunehmend auf eigene Künstler setzte und ein Repertoire entwickelte. Zu einem Plattenstar stieg der Schauspieler Manfred Krug auf, der ab 1965 bei Amiga veröffentlichte. Als er nach der Biermann-Ausbürgerung 1977 in den Westen ging, galt er in der DDR als Persona non grata. Amiga stellte den Vertrieb seiner Platten ein.

Illegale Lizenzplatten aus dem Westen

Die ab 1978 produzierten Lizenzplatten waren heiß begehrt, auch als Tauschware. Man kaufte, was da war, stellte sich in lange Schlangen. „Da kam es schon mal vor, dass die Oma die AC/DC-Platte holte und der Enkel sich für Roger Whittaker anstellte“, erzählt Stempel. In der DDR genoss Amiga eine Monopolstellung. Wen der Chefredakteur nicht mochte, der hatte keine Chance. So auch die Stern-Combo Meißen. Weil sie dem damaligen Labelchef René Büttner nicht gefiel, konnte die Band erst 1977 ihre erste LP bei Amiga veröffentlichen – 13 Jahre nach der Bandgründung.

Mit der Währungsunion 1990 wurde der VEB in eine GmbH umgewandelt. Wolf Urban, ein Kieler Autohändler, kaufte Amiga für eine Deutsche Mark. Ihm ging es um die Immobilie, das Reichstagspräsidentenpalais. Im Dezember 1993 kaufte BMG Ariola das Label und Jörg Stempel, der seit 1990 für BMG arbeitete, wurde dessen Chef. „Ich wollte nicht nur das Amiga-Erbe verwalten, sondern auch neu produzieren“, sagt er.

Ausverkauf nach der Wende

Aufnahmen mit Silly, City, den Puhdys, Manfred Krug und Ben Becker entstanden, doch sie wurden von der Musikpresse kaum wahrgenommen. Selbst die Fernsehsender in den neuen Bundesländern, geführt von Managern aus dem Westen, spielten keine Amiga-Songs mehr. Heute verwaltet Sony Music das Erbe des einstigen Staatsbetriebs, mittlerweile verkaufen sich Kompilationen aus dem Repertoire wieder besser.

In der DT-Bar ist an diesem Abend mit der Sängerin und Schauspielerin Angelika Mann auch eine bekannte Amiga-Künstlerin dabei. Sie erzählt von ihrem musikalischen Lebensweg, der sie 1985 nach West-Berlin und dort an das Theater des Westens und zu den „Stachelschweinen“ führte. Am besten kommen ihre Gesangseinlagen an: Von Manuel Schmid am Keyboard begleitet singt sie das „Küsschenlied“, „In jener Nacht“ und das „Champus-Lied“. Im Publikum sind nicht nur alte Fans dabei, sondern auch einige jüngere – und alle können mitsingen. Als Zugabe singt Mann „Mercedes Benz“ von Janis Joplin und spannt damit einen Bogen zurück in ihre Jugend, als die Amerikanerin ihr großes Vorbild war.

Kurz kommt zudem Jörg Stempels Bruder und DT-Ensemble-Mitglied Bernd Stempel auf die Bühne. Mit der Ukulele und dem „Sommerlied“ bringt er ein bisschen Wärme in die Herzen, bevor es später für alle wieder in die Winternacht hinaus geht.

Stefanie Borowsky

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