zum Hauptinhalt
303325_0_aa4d080b.jpg

© laif

A. R. Penck: Ein Künstler als Eiszeitforscher

Sein Werk wird immer untrennbar mit der deutschen Eiszeit verbunden sein: Zum 70. Geburtstag des Künstlers A. R. Penck, der der deutschen Kunst einen Stempel aufgedrückt hat.

Der Strichmann geht einen riskanten Weg. Flammen schlagen aus dem dünnen Steg, der über einen Abgrund zwischen zwei Blöcken führt. Die Füße brennen schon, und der Balancierer wirkt wie gekreuzigt, an den Armen langgezogen, beinahe zerrissen im kalten Niemandsland. „Der Übergang“ (1963) heißt das Gemälde, A. R. Penck schuf es lange vor seiner Übersiedelung aus der DDR in den Westen: Sein Werk wird immer untrennbar mit der deutschen Eiszeit verbunden sein, kein Wunder also, dass Zeichnungen, Gemälde und eine Penck-Skulptur in der aktuellen Ausstellung „Kunst und Kalter Krieg“ im Deutschen Historischen Museum einen Sonderplatz einnehmen.

Wie alle seine großen Kollegen, ob Immendorff, Baselitz oder Richter, hat Penck der deutschen Kunst einen Stempel aufgedrückt. Sein Name verbindet sich mit einem zeichenhaften Stil, seine flächigen Bildwelten vereinen Strichmännchen, Hieroglyphen, Buchstaben- und Zahlensymbole, Entlehnungen aus Höhlenmalereien oder chinesischen Schriftbildern. Das Riesenformat „Quo Vadis Germania“, 1984 in Düsseldorf gemalt und 2007 zur Penck-Retrospektive an der Frankfurter Schirn präsentiert, wirkt, als hätte ein altägyptischer Künstler mit Drogen experimentiert.

Eine bildnerische Geheimsprache, um die DDR-Zensur auszutricksen

Trotz ihrer Energie und Expressivität spricht aus Pencks Bildern eine Reserviertheit gegenüber emotionalen Bekenntnissen. Die weitgehende „Gesichtslosigkeit“ seiner aus intensiver Beschäftigung mit Kybernetik und Informationstheorie gespeisten Kunst hatte Gründe. Der Mann, der als Ralf Winkler heute vor 70 Jahren in Dresden geboren wurde und später den Namen eines Eiszeitforschers als Pseudonym wählte, musste eine bildnerische Geheimsprache entwickeln, um die Zensur auszutricksen. Trotzdem wurde er regelmäßig von DDR-Behörden schikaniert. „Sozialistischer Realismus“ sah ohnehin anders aus.

Karriere macht er im Westen – etwa mit der Documenta-Teilnahme 1972, für die er allerdings nicht ausreisen darf. Penck beginnt, seine Bilder als Geschenke zu tarnen, ein Schmugglertrick, um seine Westgaleristen weiter bedienen zu können. Als Willi Sitte, Präsident des DDR-Künstlerverbands, sich 1980 weigert, in Paris gemeinsam mit Penck auszustellen, stellt Penck einen Ausreiseantrag, verlässt Ostdeutschland und zieht zunächst in die Nähe von Köln. 1988 wird der Autodidakt in Düsseldorf Kunstprofessor. Heute lebt der Maler, Bildhauer und Jazzer in Irland – und ist auch zur Eröffnung seiner Werkschau im Bremer Museum Weserburg (bis 17.1.) nicht angereist. „Deutscher Immigrant in Deutschland – das geht nicht“, hat Penck gesagt. „Wenn man schon ein Immigrant sein muss, dann auch ein richtiger.“

Jens Hinrichsen

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false