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Kultur: Ab nach Indien

John Madden lädt ins exotische Marigold-Hotel.

Es waren abenteuerlustige, esoterisch angehauchte junge Leute, die in den 70er Jahren in Scharen aus Westeuropa nach Indien reisten, um nach Alternativen zu dem kapitalistisch geprägten Lebensstil zu suchen. Wenn man ihnen heute etwas vorwerfen will, dann vielleicht am ehesten eine gewisse Naivität. Sie brauchte man etwa, um einem Guru wie dem Bhagwan anzuhängen, der seine Kommunen nach eher frühkapitalistischen Prinzipien formte. Aber nicht alle Indienreisenden waren Bhagwan-Jünger, und viele von ihnen erinnern sich heute an jene Zeit als die schönste in ihrem Leben.

An diese Leute müssen die Macher von „The Best Exotic Marigold Hotel“ gedacht haben – denn es ist die Generation der jetzt 60- bis 70-Jährigen mit ihrer Angst vor dem Altern, die durch das großartige Figurenensemble repräsentiert wird. Regisseur John Madden erzählt von einer zusammengewürfelten Gruppe von Briten, die sich aus unterschiedlichsten Gründen in einem Altersruhesitz in der indischen Provinz einmieten. Als dessen Manager begreift sich der aufstiegsorientierte Sonny (ein bisschen zu expressiv: Dev Patel, der Held aus „Slumdog Millionär“), aber das Unternehmen steht auf unsicheren Füßen. So müssen sich die ersten sieben Bewohner mit Provisorien zufriedengeben, was einigen von ihnen schwerfällt. Und nicht nur das: Auch die ungewohnte Umgebung, die Hitze, das scharfe Essen, Lärm und Gedränge verlangen ihnen gehörige Anpassungsleistungen ab. Aus dieser Konstellation destilliert der Film seine Geschichte, die nicht gerade überraschend verläuft. Dafür wird sie äußerst amüsant erzählt.

Der ehemalige Richter Graham, der früher in Indien gelebt hat, übernimmt darin die Führungsrolle. Vor allem Evelyn (Judi Dench) öffnet er die Augen für die Schönheit des Landes, das ihn nicht zuletzt wegen einer abgebrochenen Liebesaffäre noch immer fasziniert. Evelyn wiederum, die Tagebuch schreibt und somit auch als eine Art Erzählerin fungiert, wird bald von einem smarten Callcenter-Chef als Beraterin angeworben. Denn sie gehört exakt zu der Klientel, die sein Unternehmen im Auftrag eines Kunden ansprechen soll. Ähnlich beeindruckt von dem neuen Leben ist der ewig zaudernde, von einer depressiven Ehefrau tyrannisierte Douglas (wunderbar: Bill Nighy, der Altrocker aus „Tatsächlich ... Liebe“), während die Rollstuhlfahrerin Muriel, die sich eine neue Hüfte hat einsetzen lassen, erst zum Schluss in Schwung kommt. Dann aber richtig.

Sein visuelles Kapital schlägt der Film aus dem bunten Gewimmel indischen Straßenlebens, das er in viele schöne Totalen auflöst – und sein moralisches aus der absoluten Unvoreingenommenheit, mit der er die beiden Kulturen miteinander konfrontiert. Auf der sich frisch formierenden indischen Mittelschicht liegt ein besonderer Fokus. „Marigold Hotel“ ist für Bollywood-Fans und Indienreisende gleichermaßen und ermuntert freundlich zum Erkunden neuer Horizonte. In jedem Alter. Daniela Sannwald

In 13 Berliner Kinos; OV im Cinestar

Sony-Center. OmU im Babylon Kreuzberg

und in den Hackeschen Höfen

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