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Kultur: Abendhauch Kino: Natasha Richardson in „Stellas Versuchung“

Es beginnt bei Nacht. Und es wird dunkel bleiben in diesem düsteren Film, auch wenn sich der Tag hebt über England.

Es beginnt bei Nacht. Und es wird dunkel bleiben in diesem düsteren Film, auch wenn sich der Tag hebt über England. Regisseur David Mackenzie macht von Anfang an klar, dass er die fünfziger Jahre als finsteres, trostloses Jahrzehnt betrachtet. Die Frauen sind Anhängsel ihrer Männer, zu Hause eingesperrt mit Kind und Frust-Cocktail. Ihrem Verlangen wird nur selten genüge getan. Die Leidenschaften sprießen wie Frühlingsknospen. Wehe, wenn da eine Versuchung winkt.

Stella (Natasha Richardson) ist mit ihrer Familie gerade in ein mondänes Anwesen gezogen, das einem erfolgreichen Psychiater wie ihrem Mann (Hugh Bonneville) zusteht. Das Haus liegt neben der Klinik für geistig Verwirrte, in der Stellas Mann Karriere machen will. Auch Stellas Anstaltsnachbarn sind Eingeschlossene hinter Gewölben und Gittern, die Gänge hallen wie im Verließ. Da liegt es nahe, den Ausbruch gemeinsam zu wagen. Als ein attraktiver Klinikinsasse in Stellas Garten zu arbeiten beginnt, versetzt das ihre Augen sogleich in flackernde Unruhe: Edgar (Marton Csokas) war früher Künstler – was in den prüden fünfziger Jahren noch als anzüglich galt. Stella und Edgar fangen eine wilde Affäre an, die im Gewächshaus, englisch: „hothouse“, beginnt.

Aber wenn eine einsame Frau etwas mit dem Gärtner anfängt, geht das selten gut. Das wissen wir aus Douglas Sirks „All that Heaven Allows“ und Todd Haynes’ kongenialer Hommage „Far From Heaven“. Zumal Edgar seine Ex-Frau in rasender Eifersucht erschlagen hat – und wer weiß schon, ob er mittlerweile von diesem Wahn befreit ist. Erstaunlich allerdings, dass David Mackenzie aus dieser Konstellation, die „Hautnah“-Autor Patrick Marber nach einem Roman von Patrick McGrath zusammengestellt hat, nicht mehr emotionales Kapital zu schlagen versucht. „Stellas Versuchung“ wirkt ähnlich unterkühlt wie die SpätherbstStimmung, die durch die englische Landschaft weht. Wobei sich jene kalt-beklemmende Atmosphäre, die Regisseur Mackenzie schon in seinem Debütfilm „Young Adam“ verbreitete, dem Zuschauer wie ein klammer Umhang über die Schultern legt.

Ach ja, einen sollten wir nicht vergessen: den Psychiater Dr. Cleave. Dieser Mann zeigt großes Interesse an Sexualpathologien und betrachtet die Liebe als „gefährlichen Sport“. Auch wenn er von Ian McKellen in züchtiger Zurückhaltung gespielt wird – vor so einem sollte man sich in Acht nehmen.

Blow Up, Neue Kant Kinos, Cinestar Sony Center (OV), Hackesche Höfe (OmU)

Julian Hanich

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