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"Morlo" ist ein Neandertaler, der eigentlich bereits ausgestorben sein müsste - warum er plötzlich auftaucht, erzählt Jens Schumacher äußerst unterhaltsam.

© Ueberreuter

Abenteuerroman: Vorne lang, hinten länger

Haarige Actionkomödie: In „Morlo“ mischt ein Neandertaler die Gegenwart auf.

Eine Zeitmaschine mit einem Geschirrspülautomaten zu verwechseln, kann zu verteufelten Komplikationen führen. Denn das, was aus dem Gerät ragt, das wie ein futuristischer Badezuber wirkt, nachdem Jenny die Zahl „100 000“ auf der Digitalanzeige eingetippt hat, sieht keineswegs frisch gewaschen aus. „Etwas Großes, Braunes“ erhebt sich in der Mitte des stählernen Trogs. Und es bewegt sich.

„Zottiges Haar bedeckte einen massigen, vornüber gebeugten Körper“, so wird die Erscheinung beschrieben. „Zwischen den Haarsträhnen schimmerte lederartige, bräunliche Haut hindurch.“ Jenny hätte auf ihren Onkel Professor Tuffhäuser, einen verrückten Erfinder, hören sollen. Sie solle in seinem Labor keine Knöpfe drücken oder Stecker in Buchsen stecken, hatte der Schöpfer eines schrottigen Haushaltsroboters und eines „automatisierten Unbefugten-Entsorgers“ gemahnt. Von Tuffhäuser ist keine Hilfe zu erwarten. Er liegt mit „Erfinder-Grippe“ im Bett.

Bei dem Ding im braunen Pelz handelt es sich um keinen Großaffen. Es ist ein Neandertaler, der eigentlich bereits ausgestorben sein müsste, aber nun mittels des „Temporal-Teleportierers“ aus der Steinzeit 100 000 Jahre in die Gegenwart gebeamt wurde. Mensch oder Tier? Jedenfalls klettert das Wesen, sein breites, haariges Hinterteil präsentierend, aus der Wanne und grunzt: „Morrrlo wooo?“ So lautet dann auch der Name, den es bekommt und der Jens Schumachers aberwitzigem, mit Verfolgungsjagden nicht geizendem Abenteuerroman seinen Titel gibt: „Morlo“.

Morlo und Jenny werden eine Art Paar. Immer mit dabei ist Onkel Alberts portugiesischer Wasserhund Sudoku, „ein schwarz-weißes Fellbündel“. Es handelt sich allerdings eher um eine Zweckgemeinschaft. Denn nachdem Morlo durch das Fenster der Terrassentür gebrochen ist, sich am Ahornbaum in die Höhe gehangelt hat und über die Gartenmauer geklettert ist, muss Jenny hinterher. Um Schlimmeres zu verhindern. Weil die Zivilisation noch nicht vorbereitet ist auf den Kontakt mit einem Urmenschen.

"Der Style ist krass"

„Es wurde wirklich Zeit, dass sie etwas unternahm. Bloß was?“ Diese Frage muss sich Jenny mit Variationen in der Folge immer wieder stellen. Die Antwort ist niederschmetternd: „Es gab nichts, was ein dreizehnjähriges Mädchen tun konnte, um einen ausgewachsenen Neandertaler unter Kontrolle zu bringen.“ Morlo bewegt sich mit affenartiger Geschwindigkeit in Richtung Stadtzentrum, und weil er gelernt hat, sich vor Feinden wie dem Säbelzahntiger in Acht zu nehmen, bleibt er dabei lange Zeit unsichtbar.

Trotzdem verursacht er einen Autounfall mit eingedellten Stoßstangen. Als Jenny ihn erreicht, hat Morlo sich in den Auslagen eines Damenausstatters bedient und mit Kleid und Hut in eine langhaarige alte Dame verwandelt. Mit Trenchcoat und Jogginghose aus einem Second-Hand-Shop wird die Tarnung beinahe perfekt. „Der Style ist krass“, loben ihn ein paar gegelte Jugendliche. Dem Pleistozän-Bewohner beginnt es, in der Zukunft zu gefallen. Die Pommes frites aus einem Schnellimbiss begeistern ihn: „Glorrbsch-glbb. HIIIAAAOOO!“ Tarzan hätte es kaum besser gesagt.

In Filmen wie „AO – Der letzte Neandertaler“ oder „Am Anfang war das Feuer“ sind Urmenschen erbarmungswürdige oder gefährliche Geschöpfe. Schumacher, der Kinderbuchreihen wie „Der Magische Stein“ und „Professor Berkley“ veröffentlicht hat, macht aus dem Thema eine furiose Actionkomödie. Manche Szenen sind reine Comedy. Als Morlo auf einem Spielplatz akrobatische Kunststücke vorführt, tauchen zwei Polizisten auf. Sie sind auf der Suche nach irgendeinem haarigen Unhold, ermahnen den Urmenschen aber bloß mit der Spielplatzordnung: „Benutzung nur für Kinder und Jugendliche bis 12 Jahre.“ Morlo dürfte ungefähr 100 030 Jahre alt sein.

Jens Schumacher: Morlo. Voll auf Steinzeit. Roman. Ueberreuter, Berlin 2016. 157 Seiten. 9,95 Euro. Ab zehn Jahren.

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