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Kultur: Aber bitte mit Feuer

Olympia-Tagebuch (5) Von Petros Markaris

Jeden Sommer haben wir Waldbrände. Sie sind unser großes Sommerspektakel. Allabendlich setzen wir uns vor den Bildschirm, sehen den FeuerwehrFlugzeugen zu, hören die Wetternachrichten und wenn es windig wird, jammern wir. Es gibt mittlerweile harte Strafen für die Brandstifter, und die verbrannten Wälder müssen neu bepflanzt werden. In der Regel werden sie mit Villen und nicht mit Bäumen „bepflanzt“.

Das Spektakel wurde dieses Jahr unserem glanzvollen, olympischen Sommer gerecht. Denn sogar der kleine Wald im Stadtteil Philothei brannte; die Brandstifterin war Frau Gianna Angelopoulou, die Vorsitzende des olympischen Organisationskomitees höchstpersönlich.

Soll das ein Witz sein? Nein. Das arme Wäldchen ist dem griechischen Pomp zum Opfer gefallen. Frau Angelopoulou wollte für die prominenten Gäste der Olympischen Spiele am Tag nach der Eröffnungsfeier einen Empfang geben. Sie fand es aber eher banal, in ein Luxushotel oder ein Küstenrestaurant einzuladen. Stattdessen wollte sie die Prominenz in ihrer eigenen Residenz empfangen, im Stadtteil Philothei eben. Der Staatspräsident hatte am Vorabend der Eröffnung die prominenten Gäste ja auch in seinem Amtssitz begrüßt. Und nun sollte die Prominenz wieder Schlange stehen, um der Frau Vorsitzenden Reverenz zu erweisen.

Damit nicht genung. Das Fest sollte mit einem großen Feuerwerk enden. Einen solchen Höhepunkt gab es beim Empfang des Staatspräsidenten nicht. Dummerweise hatte man sich verkalkuliert: Die Feuerwerkskörper landeten auf den Bäumen des angrenzenden Waldes. Der Wald brannte, die Feuerwehr kämpfte, die Gäste ergriffen die Flucht. Derweil tobte der Bürgermeister von Philothei, dass die Dame jedes verbrannte Bäumchen ersetzen müsse. Ich konnte trotz intensiver Recherchen nicht herausfinden, ob als Begleitmusik Händels Musik für die königlichen Feuerwerke gespielt wurde, oder die Musik, die Jean Baptiste Lully für König Ludwig den XIV., den Sonnenkönig komponiert hatte. Ich vermute eher das Zweite.

Monatelang haben wir Athener gekämpft, damit aus den Olympischen Spielen keine griechische Tragödie wird. Am Ende sind wir bei der Farce gelandet. Zuerst das lächerliche Versteckspiel von Kenderis und Thanou mit dem IOK, dann dieser neugriechisch-kitschige Empfang. Wir wollten Aischylos, Sophokles und Euripides den Weg versperren, aber Aristophanes ist uns durch die Beine geschlüpft. Vielleicht lässt sich unsere prekäre Lage am besten mit einem kleinen Gedicht von Brecht erklären: „Den Haien entrann ich / Die Tiger erlegte ich / Aufgefressen wurde ich / Von den Wanzen.“ Typisch griechisch.

Petros Markaris lebt als Autor und Übersetzer in Athen. Seine Krimis (zuletzt: „Live!“) sind auch in Deutschland Bestseller. Im Tagesspiegel erscheint dreimal wöchentlich sein Olympia-Tagebuch.

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