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Kultur: Aber dann geht es um die Macht der Stadtplaner

Dieter Hoffmann-Axthelm hat ein Denkmalschutz-Gutachten für die Grünen erstellt: eine erregte Diskussion in BerlinNikolaus Bernau Das muß man dem Stadtplaner Dieter Hoffmann-Axthelm lassen: Er kann polarisieren. Die Bundestagsvizepräsidentin und bündnisgrüne Abgeordnete Antje Vollmer hatte zur ersten Anhörung über Denkmalpflegefragen in der Geschichte des Parlaments in den Reichstag geladen.

Dieter Hoffmann-Axthelm hat ein Denkmalschutz-Gutachten für die Grünen erstellt: eine erregte Diskussion in BerlinNikolaus Bernau

Das muß man dem Stadtplaner Dieter Hoffmann-Axthelm lassen: Er kann polarisieren. Die Bundestagsvizepräsidentin und bündnisgrüne Abgeordnete Antje Vollmer hatte zur ersten Anhörung über Denkmalpflegefragen in der Geschichte des Parlaments in den Reichstag geladen. Die machtpolitische Rolle der staatlichen Denkmalpflege sollte untersucht, Lösungen zu ihrer Verankerung in breiten Schichten sollten gesucht werden. Es ging um das aktuelle Lieblingsprojekt der Grünen, nachdem der Umweltschutz von den großen Parteien okkupiert wurde: Die Formation der selbstbestimmten Bürgergesellschaft. Dieser stehe im Großen "der Staat" entgegen, hier: "die" staatliche Denkmalpflege. Letztere reagiere ihre Frustation über mächtige Großinvestoren und ignorante Politiker ab mit obrigkeitsstaatlich geschwungener Knute. Unter der habe dann der "gequälte" Bürger (Vollmer) zu leiden - wenn etwa bestimmte Fensterformen im Interesse des Gesamtobjektes, zur Lasten der Privatkasse durchgesetzt werden. Und die müsse entscheiden; man war, wie gesagt, nicht auf einer Versammung des Haus- und Grundbesitzervereins!

Drei Minuten nach Beginn seines Vortrages hatte Hoffmann-Axthelm mit solchen Thesen die Lager im Saal geschieden: Im wesentlichen in sich selbst (zeitweise solidarisch unterstützt von Frau Vollmer) und den opponierenden Rest der Anwesenden. Sie bestanden darauf, dass es der Zweck der Denkmalpflege sei, das gesellschaftliche Interesse am Objekt zu schützen, nicht seine Besitzer. Auch sei die Denkmalpflege keineswegs allmächtig, sondern eine von vielen Beteiligten im öffentlichen Planungsprozeß - und meist unterliege man den Nutzerinteressen: denen des Straßenbaues, den ästhetischen Vorlieben der Stadtplaner. Der prophetischen Selbstgewißheit Hoffmann-Axthelms schadeten diese Einwände allerdings nicht - dafür aber der Diskussion. Für die Grünen hatte er ein Gutachten zur Entstaatlichung der Denkmalpflege verfaßt. Jerne sei eine Voraussetzung, um wieder näher an den Bürger heranzukommen. Ob der Bürger wirklich so weit von der Institution entfernt sei, wurde von ihm nicht belegt. "Der Staat" ist, dies vor allem wurde bei der Veranstaltung deutlich, ein immer noch fest etabliertes Feindbild bei vielen Alt-68ern, Alt- und Neoliberalen. Ein Gutachten zur Entstaatlichung der Denkmalpflege, das Hoffmann-Axthelm für die Grünen erstellte, ist vom Bild des ideal-freien Bürgers geprägt, der schon recht entschiede: wenn man ihn nur ließe. Keine FDP, sondern eine Grünenveranstaltung, wohlgemerkt!

Dass Denkmalpflege immer, auch wenn noch so sehr abgestimmt, letztlich die im Grundgesetz versprochene Sozialbindung des Eigentums durchsetzen muß, fiel unter den Bürgertisch. Dabei ist es nach Aussagen der Denakmalpfleger keineswegs so, dass die Großen sich eher durchsetzen als die Kleinen; im Gegenteil sind diese angesichts des krassen Personalmangels in Ämtern viel eher in der Lage, mal schnell eine Wand umzulegen, einen Anbau vorzunehmen. Der FAZ-Architekturkritiker Dieter Bartetzko bemerkte trocken: Das Problem der Denkmalpflege ist nicht ihre Machtvollkommenheit gegenüber dem Bürger. Ganz im Gegenteil ist sie oft die letzte Barriere vor der Durchsetzung der Marktinteressen. Das Gutachten zeugt schon in seiner historischen Herleitung der Macht des Amtes von bemerkenswerter Unkenntnis. Die amtliche Denkmalpflege ist kein Produkt von ästhetisch "frustrierten" Baubeamten des 19. Jahrhunderts, sondern von historisch interessierten Kulturpolitikern. Man bewahrt Denkmäler vor allem, weil sie wichtig sind, nicht ihrer "Schönheit" wegen. Als Hoffmann-Axthelm aus seiner Fehlanalyse, ganz in der Tradition der Stadtplaner der fünfziger Jahre, folgerte, die Zukunft der Denkmalpflege läge bei herausragend, "schönen", "ästehtischen" Werken, kam leises Stöhnen von den anwesenden Denkmalpflegern: "Das hätten die Planer und Investoren wohl gerne." Doch Vollmer unterstützte ihn. Wie sehr ästehtizistische Vorstellungen das Gutachten prägen, wurde deutlich darin, dass nur die Denkmalpfleger Begriffe wie "Ressourcenschonung" oder "Natur- und Denkmalschutz als Koalition" benutzten.

Dem einstigen hessischen Landeskonservator Kiesow scheint die Einschränkung des Denkmalbegriffs im Namen des freien Bürgers absurd. Erst die bürgerlichen Emanzipationsbewegungen hätten durchgesetzt, dass man sich nicht nur mit Schlössern, Rathäusern, Kirchen, sondern auch mit Fabriken, Siedlungen, Kulturlandschaften beschäftige. Der Denkmalpfleger als "Ombudmann" historischer Substanz und der Bürger, wie ihn Vollmer anregt: den gebe es längst. Die Frage sei, wie Entscheidungen auf breiterer Ebene, etwa Beiratsebene, gefällt werden könnten. Doch da geht es an die Allmacht der Kommunalpolitiker und Stadtplaner.

Nikolaus Bernau

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