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Dichter und Schriftsteller Gerhart Hauptmann

© dpa

Berliner Schaubühne: Abgeflachter Müggelsee

Friederike Heller inszeniert Gerhart Hauptmanns "Einsame Menschen". Die Regisseurin, der es sonst gelingt klassische Stoffe aus interessanten, durchdachten Perspektiven neu aufzurollen, präsentiert eine Aufführung, die hart an der Belanglosigkeitsgrenze entlangschrammt.

Dass die Depression nirgends so schick aussieht wie in der Berliner Schaubühne, ist unter Theatergängern ein offenes Geheimnis. Aber selbst dort galten die Noras und Heddas, die verzweifelt an kostspieligen Glasfassaden kratzen, bis dato als Markenzeichen des Intendanten Thomas Ostermeier. Dass jetzt auch Friederike Heller fünf „Einsame Menschen“ auf einer Drehbühne wie aus dem Designkatalog versammelt, ist eine ziemliche Überraschung. Schließlich zeigte sich die 37-Jährige vergleichsweise edelloftresistent, als sie etwa Anfang des Jahres an der Schaubühne Sophokles’ „Antigone“ zur Therapiesitzung für öffnungsunwillige Männer uminterpretierte.

Das gekachelte Spielpodest, das die Bühnenbildnerin Sabine Kohlstedt den „Einsamen Menschen“ gebaut hat, dreht sich tatsächlich unablässig; den ganzen hundertminütigen Abend lang. Wenn einer der Akteure von ihm heruntersteigt, steht er knöcheltief im Wasser. An diesem abgeflachten Müggelsee soll Gerhart Hauptmanns Drama um den ertragsarm vor sich hinwurstelnden Geisteswissenschaftler Johannes Vockerat, der in der hereinschneienden Studentin Anna Mahr eine Seelenverwandte entdeckt und damit weder seine pragmatische Ehefrau Käthe noch seine fromme Mutter erfreut, maximal zeitgenössisches Potenzial entfalten.

Und eigentlich gilt Friederike Heller als Idealbesetzung, wenn es darum geht, klassische Stoffe aus originellen, durchdachten Perspektiven neu aufzurollen. Umso merkwürdiger, dass ihr der Abend derart wegrutscht. Mag sein, dass Heller die viel zitierte Unverbindlichkeit an jeder Beziehungsfront als Konzept vorschwebte. Inszeniert hat sie allerdings eine Dreiecksbeziehung, die hart an der Belanglosigkeitsgrenze entlangschrammt – weil sie um eine Nullstelle kreist. Dass dieser geheimnislose Unsympath, dieser charismafreie Klischee-Narziss namens Johannes Vockerat, den Heller Tilman Strauß hier spielen lässt, überhaupt je einer Frau unterlaufen ist, mag man kaum glauben. Seiner nachfolgenden Position als Hahn im Korb ist das nicht besonders dienlich. Jule Böwe bleibt als Studentin Anna ganz Projektionsfläche mit eher abgeklärter Attitüde als intellektueller Verve. Zündstoff bringt sie damit ebenso wenig in das müde um sich selbst kreisende Figurenquintett wie Ernst Stötzner, der im Wickelrock zum Herrenhemd beide Elternteile des Johannes Vockerat spielt – und zwar in seiner ganz eigenen Liga. Christoph Gawenda kommt als Braun so gut wie gar nicht vor.

Soweit man das aus diesem für Friederike Hellers Verhältnisse ungewohnt konzeptionsunsicheren Abend überhaupt ersehen kann, geht es um eine Rehabilitation der Ehefrau: Eva Meckbach darf sich als Käthe gegen die Demütigungen ihres Gatten durchaus in Maßen wehren. Aber erstens bleiben Inszenierung wie Schauspielerin auch hier merkwürdig unentschieden. Und zweitens hat die Ehegattinnenaufwertungsarbeit vor einigen Jahren – und mit größerer Konsequenz – bereits Michael Thalheimer geleistet, als er Käthe am Deutschen Theater mit der selbstbewussten Nina Hoss besetzte.

Das alles ist nun kein großes Drama, sondern ein kleiner Ausrutscher einer weiterhin interessanten Regisseurin. Christine Wahl

Wieder heute und morgen, am 28. und 29.9. sowie am 2.,3.,6. und 7.10., 20.30 Uhr.

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