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Kultur: Abigaile im Wunderland

FREILICHTOPER

Jehovas Strafe muss sein. Der Babylonierkönig Nebukadnezar, der in Verdis gleichnamiger Oper „Nabucco“ heißt, unterjocht die Hebräer. Und will von ihnen auch noch als Gott verehrt werden. Ein Blitz fährt ihm ins Haupt, Nabucco wird wahnsinnig. Effektvolle Pyrotechnik sorgt dafür, dass das Publikum in der Waldbühne ordentlich zuckt. Ob Verdis Musik an diesem glühenden Sommerabend gleichermaßen unter die Haut geht, ist eine heiklere Frage. Der berühmte Gefangenenchor verfehlt seine Wirkung natürlich nicht, der den Italienern mit der Mailänder Uraufführung 1842 zur heimlichen Nationalhymne gegen die österreichische und französische Fremdherrschaft wurde. Hier und heute werden zu „Va, pensiero“ Salzstangen geknabbert und Lämpchen geschwenkt. Passend dazu die Bühnenbeleuchtung, die in türkis und bonbonrot das Kulissengrau zu einer Art Erlebnisaquarium aufwertet.

In Verona rast das Publikum. In der nicht ganz so großen Berliner Arena ist man in Maßen begeistert. Vielleicht liegt’s auch am selten energischen Dirigat von Wilhelm Keitel, der zwar Chor und Orchester im Griff hat – aber der Ensemble-Name „La Passione“ weckt andere Assoziationen. Die Sänger haben mehr Leidenschaft zu bieten. Das Liebespaar klingt solide, der hebräische Hohepriester rau. Die hundsgemein dramatische, dazu hochvirtuose Partie der bösen, falschen Königstochter Abigaille ist seit Jahrzehnten kaum adäquat zu besetzen. Anna Valdetarra schlägt sich achtbar, mit viel Tremolo. Antonio Salvadori als Nabucco hat in deklamatorischen Passagen überzeugende Momente, aber Verdi-Baritone brauchen Feuer in der hohen Lage. Und das lodert nur in den Feuerschalen auf der Bühne.

Jens Hinrichsen

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