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Kultur: Abschied eines Dichters

Antonio Skarmeta kehrt in seine chilenische Heimat zurück

Er vertritt mehr als nur sein Heimatland Chile auf dem diplomatischen Parkett: Antonio Skarmeta war und ist ein Botschafter Lateinamerikas und seiner Literatur – und hat dem politischen Alltag der Berliner Republik künstlerische Glanzlichter aufgesetzt. Unter seiner Federführung wurde die Residenz der chilenischen Botschaft im Grunewald zum informellen Kulturzentrum, einer Art Goethe- oder Skarmeta-Institut, das neben diplomatischen Empfängen durch Ausstellungen, Konzerte und Lesungen von sich reden machte. Nicht nur lateinamerikanische Künstler und Schriftsteller, auch junge deutsche Autoren wie Doja Hacker und David Wagner stellten hier ihre neuesten Werke vor.

Dichter und Diplomaten waren in Lateinamerika nie durch eine Berliner Mauer voneinander getrennt: Man denke nur an den Nobelpreisträger Pablo Neruda, der Allendes Volksfrontregierung als Botschafter in Paris vertrat, bevor er aus Gram über die Machtergreifung des Generals Pinochet verstarb. In seinem mehrfach verfilmten Roman „Mit brennender Geduld“ hat Antonio Skarmeta dem berühmten Kollegen ein literarisches Denkmal gesetzt.

Auch Skarmetas eigenes Leben war von politischer Tragik überschattet, als er vor dem Pinochet-Regime ins Ausland emigrieren musste und im geteilten Berlin Zuflucht fand. Ein Vierteljahrhundert danach kehrte er als Botschafter an die Stätte seines Exils zurück, die inzwischen zur Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschlands geworden war. Damals wie heute war Skarmeta kein Kind von Traurigkeit, sondern ein Schreib- und Lebenskünstler, dessen Schaffenskraft auch unter widrigen Umständen ungebrochen blieb. Er war nie auf Almosen angewiesen, denn schon Ende der siebziger Jahre war er als Romancier und Drehbuchautor bestens etabliert. Nach Chile zurückgekehrt, gründete Skarmeta seine eigene Fernseh-Show nach dem Vorbild von Marcel Reich-Ranickis „Literarischem Quartett“, und auch die Berufung zum Botschafter hat seiner künstlerischen Produktivität nicht geschadet. Nach dem viel beachteten Roman „Die Hochzeit des Dichters“, der die Geschichte seiner nach Chile ausgewanderten Vorfahren bis in die k.u.k.-Monarchie zurückverfolgt, erschien kürzlich „Das Mädchen mit der Posaune“ (Piper), Teil zwei der auf drei Bände angelegten Familienchronik. Gleichzeitig wurde Skarmeta in Paris mit dem Prix Médicis und in Bremen mit dem Preis für Völkerverständigung geehrt.

Das Geheimnis von Skarmetas Erfolg war und ist sein unverwüstlicher Optimismus, der auch der schwierigsten Situation das Beste abzugewinnen versteht. Nach drei Jahren als Repräsentanten von Chiles sozialdemokratischer Regierung in Berlin kehren Antonio Skarmeta und seine Frau Mitte Februar nach Santiago de Chile zurück. Ihr ansteckendes Lachen wird uns fehlen in Berlin, der Hauptstadt des Pessimismus und der durch nichts aufzuheiternden, deutschen Übellaunigkeit. Hans Christoph Buch

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