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Stilmix. In die Buddha-Figur sind Einflüsse verschiedener Kulturen eingegangen.

© Mike Wolff

Abschied von Dahlem (2): Der griechische Buddha

Mit König Amanullah kam die Skulptur aus Afghanistan nach Berlin. Jetzt geht sie erst einmal in Klausur.

In den Dahlemer Museen schließen sich langsam die Türen. Ab dem 11. Januar sind weite Bereiche des Museums für Asiatische Kunst sowie die Ausstellungssäle der Südsee und der nordamerikanischen Indianer nicht mehr zugänglich für Besucher. Andere Teile der Sammlungen, Mesoamerika, Afrika und die Welten der Muslime, schließen erst in einem Jahr. Eine Epoche endet, die Vorbereitungen für den Umzug ins Humboldt-Forum laufen an. Wir betrachten hier Artefakte, die Dahlem ausmachen – und vor der großen Reise bald aus dem Blickfeld verschwinden.

Halte inne, scheint seine erhobene Hand zu sagen. Selbst die Gewandfalten an diesem Buddha strahlen Ruhe aus. Unwillkürlich steht man selbst still. Die aus graugrünem Schiefer gemeißelte Skulptur, über 1700 Jahre alt, hält für jeden Betrachter eine spezielle Botschaft parat: multikulturell verfügbar und geprägt von Anfang an. „Dieser Buddha stammt aus einer Region, in der sich viele Kulturen und religiöse Einflüsse mischten, an einem Knotenpunkt der Seidenstraße“, erzählt Kuratorin Martina Stoye vom Museum für Asiatische Kunst. Eine einzigartige Kultur entstand im Norden des heutigen Afghanistan und Pakistan. Unter dem Namen Gandhara wurde sie berühmt. So weit war Alexander der Große mit den Makedonen vorgedrungen.

Menschen unterschiedlicher Herkunft konnten sich in seiner fein gemeißelten Darstellung wiederfinden, Vertrautes erkennen. Der aus Indien kommende frühe Buddhismus mixte sich hier mit lokalen Traditionen und fremden Stilen. Griechisches schwingt in den Gewandfalten des Buddha mit. Als Randfiguren tauchen geflügelte Greifen und eine Frau mit Füllhorn auf: Motivimporte mit mediterranem Flair. Die Füllhorndame verspricht Wohlstand und Fruchtbarkeit und ist, mit ihrem männlichen Pendant gegenüber, zugleich eine Lokalgottheit. Die Gelassenheit des Buddha amalgamiert alles. Am Wochenende muss er sich für einige Jahre von seinen Besuchern verabschieden; dann geht es ins Humboldt-Forum.

Übrigens führt er gerade ein atemberaubendes Wunder vor, so nonchalant, als sei das nichts. Aus seinen Schultern lässt er Flammen züngeln, aus seinen Füßen Wasser strömen. Mit diesem magischen Showeffekt bekehrte der Buddha in Indien, so die Legende, Hunderte von Leuten. Eigentlich lehnte Buddha ja Wundertaten ab. Aber zum Zweck der Bekehrung, nun ja, warum nicht. Hier zieht er sogar ein weiteres Wunder aus der Trickkiste und verdoppelt sich, links und rechts, um zwei Doppelgänger im Meditationssitz.

Wäre diese kostbare Statue an ihrem Ort geblieben, es gäbe sie womöglich gar nicht mehr. Unweit der Fundstätte des Buddha liegt Bagram, die größte US-Militärbasis in Afghanistan. Und die Taliban hassen die Überbleibsel aus vorislamischer Zeit. Die monumentalen Buddhastatuen von Bamiyan haben sie gesprengt, Hunderte von Objekten aus dem Nationalmuseum Kabul zertrümmert, geraubt oder auf dem Schwarzmarkt verscherbelt. Berlin besitzt mit über 700 Objekten eine der größten Gandhara-Sammlungen weltweit. Gut, dass es den flammenden Buddha nach Berlin verschlug.

1928 säumten Zehntausende den Boulevard Unter den Linden und begrüßten den jungen afghanischen König Amanullah. Man feierte den Monarchen wie einen Star, trällerte flugs geschriebene Amanullah-Schlager. Den König selbst interessierten mehr die Fabriken, Bildungs- und Sozialeinrichtungen. Denn er plante für sein zuvor abgeschottetes Land ein rasantes Modernisierungprogramm samt Frauenemanzipation und einer deutschen Schule in Kabul. Als Gastgeschenk hatte er ein Spitzenstück aus dem Museum Kabul im Gepäck: den flammenden Buddha. Deutschland revanchierte sich mit einem nagelneuen Flugzeug. Amanullahs ehrgeiziges Reformprojekt scheiterte, er musste wenig später abtreten.

Im Humboldt-Forum, so Martina Stoye, wird Amanullahs Buddha nun ein optimaler Standort bereitet: „Wir errichten eine Stupa-Anmutung, also wir deuten mit einem Rundbau einen buddhistischen Reliquienhügel an. Dessen Außenseite werden Reliefs aus Gandhara umgürten, die das Leben des Buddha erzählen.“ Ins nicht betretbare Innere des Rundbaus kommen kostbare Reliquiare, halb verborgen und nur durch Schlitze sichtbar. Dies greift die Kritik buddhistischer Mönche an der bisherigen Vitrinenpräsentation auf. Man solle diese Relikte nicht ungeschützt den Blicken preisgegeben, gaben sie zu bedenken. Denn sie sind noch immer heilig. Gegenstand der Verehrung, nicht nur Kunst.

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