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Kultur: Achim Reichel

Diese Woche auf Platz 55 mit: „Volxlieder“

Das X würde man jedem anderen verübeln. So ein X wie in Volxküche, ein Relikt der achtziger Jahre. In der Volxküche aßen alle ihren Eintopf von denselben TellerInnen. Brrr. Aber bei Achim Reichel wird man darüber hinwegsehen. Er ist selbst ein Relikt. Nun hat er sich einer letzten Herausforderung der zivilisierten Welt gestellt: deutschen Volksliedern.

Der Hamburger Seemannssohn hat einige Wandlungen durchgemacht. 1962 galt seine Band, The Rattles, als deutsche Antwort auf die Beatles. Da war er 18, trat im Star Club auf, tourte mit den Stones. Nach Auflösung der Rattles produzierte Reichel mit Les Humphries und James Last das unkaputtbare „Moscow“. Anfang der Siebziger begann eine ausgedehnte Prog-Rock-Phase, besonders für das THC-verherrlichende Album „Grüne Reise“ würde heute mancher britische oder amerikanische DJ über Kifferleichen gehen. Danach entdeckte Reichel das deutsche Liedgut für sich. Zusammen mit dem Schriftsteller Jörg Fauser schrieb er Hits wie „Der Spieler“. Er begann Seemannslieder in Rockform zu bringen, vertonte Goethe und Fontane.

Angesichts der sich entkrampfenden Beziehung der Deutschen zu ihrer Sprache in gesungener Form scheint eine Platte mit Volksweisen ein logischer nächster Schritt. Reichel hat genug Übung und wird sicher nicht, wie etwa Joachim Witt, als teutonisch dröhnender Reiter in Erinnerung bleiben. Trotzdem: Man muss es schon mögen. Wenn Reichel „Am Brunnen vor dem Tore“ singt, oder „Weißt Du wieviel Sternlein stehen“, dann ist das hübsch norddeutsch geknarzt, erinnert aber in seiner braven Zünftigkeit bisweilen an Butten-und-Binnen-Ausflugs-TV im dritten Programm.

Ralph Geisenhanslüke

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