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Nun aber. Vor achtzig Jahren wurde Adolf Fleischmann eine Schau verwehrt. Hier sein „Triptychon“ von 1961.

© Daimler Collection

Adolf Fleischmann Ausstellung im Haus Huth: Von Patina keine Spur

Seine Karriere in Deutschland endete abrupt, in den USA machte er einen Neuanfang: Das Haus Huth rehabilitiert nun den Maler und Mitbegründer der Op-Art Adolf Fleischmann.

Auf dem Potsdamer Platz herrscht permanent Betrieb. Touristenströme kreuzen sich mit Anzugträgern, die zur Mittagszeit ihre Büros verlassen, um Essen zu gehen. Abends schwenken dann die Kinobesucher in die Trampelpfade rechts und links der Potsdamer Straße ein, sie queren wiederum die Wege des Musical-Publikums. So ähnlich muss es schon vor hundert Jahren gewesen, als der Potsdamer Platz Berlins quirligste Meile war.

Ein letztes Haus erinnert heute noch daran, das wie vergessen zwischen den gläsernen Palästen, den Shoppingmalls und Business-Hochburgen stehen geblieben ist: das Weinhaus Huth. Wie durch ein Wunder überstand es den Zweiten Weltkrieg und auch die beim Volksaufstand am 17. Juni 1953 ausgelösten Brände. Das Glück kam nicht von ungefähr. Der Erbauer, ein Enkel des Weinhändlers Christian Huth, der vorher hier ein Lokal besaß, hatte 1912 bei den Architekten eigens eine damals hochmoderne Stahlskelettkonstruktion bestellt – aus Gründen der Stabilität wegen der gelagerten Flaschen.

Nach dem Verkauf des Hauses durch die Witwe in den sechziger Jahren an den Bezirk Tiergarten entstanden Sozialwohnungen in dem trutzigem Gebäude, das mutterseelenallein auf der Brache nahe an der Mauer stand. Seit der Wende wuchs nicht nur das Gelände rundum wieder mit Bauten zu, im Erdgeschoss vom Weinhaus Huth werden seitdem auch wieder Schoppen ausgeschenkt. Nicht zu vergessen die anderen hier angesiedelten geistigen Genüsse. Dafür muss man einige Stockwerke höher steigen, im Treppenhaus vorbei an dunklen Holzvertäfelungen und verzierten Metalltüren. Hier hat sich das wilhelminische Flair noch gehalten. Oben angekommen, beginnt auch schon die nächste Zeitreise.

Flirrende Muster

Die Daimler Collection residiert in den Räumen und präsentiert vornehmlich Minimal-Kunst. Diesmal zeigt sie das Spätwerk des Op-Art-Mitbegründers Adolf Fleischmann (1892 bis 1968), der hier eine Art Rehabilitation erfährt. Der Maler hätte seine erste Einzelausstellung in Berlin haben sollen, aber dann kamen die Nationalsozialisten dazwischen, und Fleischmann verließ das Land. In Paris schloss er sich der Résistance an, wurde interniert, konnte fliehen und begann nach dem Krieg mühsam wieder zu malen. Anfang der fünfziger Jahre ging er nach New York und startete eine zweite Karriere als Maler.

Hatte Adolf Fleischmann zuvor schon abstrakt gemalt, so reduziert sich in den Vereinigten Staaten sein Formenvokabular noch mehr, bis es nur noch aus einer Rasterung mit verschiedenen Valeurs besteht. Doch gerade darin steckt ein ungeheurer Reichtum. Die Muster beginnen zu flirren, sie öffnen sich räumlich, bilden Tiefen und Vorsprünge, nehmen den Betrachter gefangen. Die Daimler Collection beschert Fleischmann in gewisser Hinsicht jene Einzelausstellung, die ihm über achtzig Jahren zuvor in dieser Stadt verwehrt worden ist. Nur wird die Geschichte von hinten erzählt, weil nun zu sehen ist, was aus seinem Werk geworden ist, nachdem seine Karriere in Deutschland abrupt endete und er nach vielen Zwischenstationen in den USA einen Neuanfang machen konnte.

Heute stehen seine Bilder großartig da, frisch und stark. Von Patina kann keine Rede sein. Das mag daran liegen, dass in der zeitgenössischen Kunst die Abstraktion gerade einen Boom erlebt. Wie das Weinhaus Huth schüttelt Adolf Fleischmanns Werk die Jahre von sich ab, kann es hervorragend in der neuen Zeit bestehen und zeigt doch deutlich, woher es stammt.

Haus Huth, Alte Potsdamer Str. 5, bis 6. November, täglich von 11 – 18 Uhr

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