zum Hauptinhalt
Umschlungen. Rubini Zöllner und Anton Weil in "Affe".

© Matthias Heyde

"Affe" an der Neuköllner Oper: Tierisch gut

Erst war da "Stadtaffe", das tolle Soloalbum von Peter Fox. Jetzt gibt es, inspiriert von Fox, das Stück „Affe“ an der Neuköllner Oper. Auch toll - mit kleinen Schwächen.

Er ist ein Getriebener. Ein gehetztes Tier. „Ich hab Fieber, lieg auf'm Rücken/Ich brauch’ Waffen für’n Krieg gegen Mücken/Ich halluzinier’, hab’ trockene Lippen/Und träum’ von Schneeflocken und Skihütten“. Klingt vertraut? Soll es auch. An der Neuköllner Oper haben Regisseur Fabian Gerhardt und Autor John von Düffel aus dem Solodebüt-Album „Stadtaffe“ (2008) von Seeed-Sänger Peter Fox das Stück „Affe“ gemacht. Mit einer Hauptfigur, die hier nur F. heißt, angelehnt wohl an den dominanten Buchstaben des titelgebenden Primaten.

Anton Weil spielt ihn als Underdog und modernen Peter Pan, als einen, der gerne Stadtheld wäre, tatsächlich aber übel rumgeschubst wird. Eines Tages wacht er im Krankenhaus auf und hat keinen Schimmer warum. Er weiß nur: Seine Freundin Lea (Amy Benkenstein) ist tot. Ein alter Kumpel, Zaza (Sohel Altan Gol), verabreicht ihm irgendwelche verbotenen Substanzen, was ihn tief in die Halluzination treibt. Es wird ein Horrortrip, bald baumeln seine sorgsam gegelten Haare in verschwitzen Strähnen über der Stirn.

Er begegnet einem Bettler, dem die Plastiktüten wie Geschwüre aus dem Leib wuchern, und einem sadistischen König, der standesgemäß über ihm turnt wie ein Gorilla in den Bäumen. Beide werden verkörpert von Sergej Lubic, der sich chamäleonhaft in neue Rollen schmeißt, mal aggressiver Borderliner, mal wahnsinnig, mal wahnsinnig tuntig – Waldschrat, Knusperhexe und Straßenköter in einem. Wer ihn wie unter höllischen Schmerzen das Wort „Freund“ aus dem Mund hat kotzen hören, vergisst es nicht so schnell.

Fast wie in "Mamma Mia!"

Anfängliche Vermutungen, das hinzuerfundene Stück könnte dem Album nur als verschämtes Alibi-Mäntelchen übergeworfen sein, sind unbegründet. Die Story steht für sich. Und die Anschlüsse zu den Songtexten funktionieren gut, wie im Abba-Musical „Mamma Mia!“. Es sind Momentaufnahmen im Blitzlicht einer großen Stadt, die überall sein könnte, wie ja auch Peter Fox’ Lyrics sich nur augenblickshaft etwa auf Spree oder Ku’damm festlegen. Realität und Fiebertraum schieben sich ineinander. Der tolle Cast, darunter Achan Malonda mit großer, dramatischer, souliger Stimme, tut ein Übriges. In den fiesen Schlangenaugen von Rubini Zöllner lässt sich rettungslos versinken. „Ich liebe Sie“, haucht sie zu F. und blickt ihn dabei nicht an, eine Cleopatra am Krankenbett.

Bei aller Stärke des Textes bleibt die Musik, dieser so erfolgreiche und nachfolgelos gebliebene Hip-Hop-Klassik-Mix, emotionales Zentrum des Abends. Wobei die Streicher auf dem Album wesentlich präsenter sind, an der Neuköllner Oper haben sie gegen Drums, E-Gitarre und Keyboard kaum eine Chance (Leitung: Fred Sauer). Macht nix. Auch nicht, dass den Stimmen die Fox’sche Dreckigkeit und Scharfkantigkeit fehlt. Sie sind gerundeter, braver auch. Aber das Feeling passt. Regisseur Gerhardt sagt, er wollte dieses Pop-Album gleich beim ersten Hören auf die Bühne bringen. Operation geglückt.

Wieder 25. bis 27. November, zahlreiche Aufführungen im Dezember

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false