zum Hauptinhalt

Afghanistan: Bundeswehr im Sandsturm

Nicola Kuhn stößt in einer afghanischen Zeitung auf eine Sensation.

Vor nicht einmal zwei Wochen war das Thema Afghanistan im Wahlkampf noch heiß. Ein Oberst der Bundeswehr hatte einen Luftangriff auf zwei Tanklaster angeordnet, bei dem zahlreiche Zivilisten ums Leben kamen. Sogleich wurde die Frage diskutiert, ob und wann die deutschen Truppen aus dem Land abgezogen würden. Sowohl Bundeskanzlerin Merkel als auch ihr Herausforderer Steinmeier hielten sich bedeckt. Die Antwort ist nun jedoch der Samstagsausgabe der englischsprachigen Tageszeitung „Outlook Afghanistan“ zu entnehmen, die unter anderem in Kabul in diversen Hotels ausliegt.

Auf Seite zwei steht dort blattbreit in einer fett gedruckten Anzeige: „Deutsche Soldaten werden aus Afghanistan abgezogen.“ Das „Deutsche Ministerium für Staatssicherheit“ habe den Rückzug befohlen, dieser solle bis 1. April kommenden Jahres abgeschlossen sein. „Deutschland hat festgestellt, dass die Sicherheit seiner Soldaten nicht mehr gewährleistet ist“, heißt es in dem Anzeigentext weiter. „Außerdem hat Deutschland erkannt, dass viele deutsche Soldaten sich in einer schlechten Verfassung befinden und unter Augenproblemen wegen lokaler Sandstürme leiden.“

Die afghanischen Reaktionen auf die sensationelle Ankündigung sind bisher nicht bekannt. Beim Verteidigungsministerium und Bundespresseamt in Berlin hingegen bleibt man entspannt. Dass es nicht mit rechten Dingen zugehen könne, verrate ja bereits der ominöse Auftraggeber: das Ministerium für Staatssicherheit. Das Mandat für die ISAF, die Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe, laufe Mitte Dezember aus. Erst dann werde sich die Bundesregierung mit dem Thema befassen, hieß es lapidar von offizieller Seite.

Der Abzug bleibt also Fehlanzeige und Jan Egesborgs Vorstoß in die Realpolitik folgenlos. Der Gründer der dänischen Künstlergruppe „Surrend“ mit Sitz in Berlin rief schon mit so mancher Plakataktion (gegen den russischen Präsidenten Putin) und mit manch provozierender Anzeige (gegen Irans Regierungschef Mahmud Ahmadinedschad) die Polizei auf den Plan. In Deutschland hingegen scheitert seine Satire an humorloser Gelassenheit. Zum Wahlkampfthema wird Afghanistan wohl auch in den letzten Tagen vor dem Wahlsonntag nicht mehr avancieren.

Da mögen noch so viele Sandstürme am Hindukusch wirbeln. „Unsere Soldaten tragen dann eben Sonnenbrillen“, lautete die sachlich korrekte Antwort aus dem Verteidigungsministerium bezüglich dieser Problematik. Einen künstlerischen Versuch war es wert. Doch am Ende wird auch die Anzeige in „Outlook Afghanistan“ nur Augenwischerei gewesen sein.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false