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Ein Fest, trotz alledem. Vor einer Schweigeminute für die Opfer des Attentats von Nizza spricht der französische Botschafter Philippe Etienne zum Publikum auf dem Pariser Platz. Vor dem Brandenburger Tor hat es sich zu einem Konzert der französischen Synthiepop-Band Air zusammengefunden.

© Ambassade de France

Air beim Deutsch-Französischen Fest: In den Farben des Weitermachens

Air spielen am Tag nach dem Anschlag in Nizza ganz in weiß im Herzen Berlins - und beileibe keine Trauermesse.

Am Freitag fiel das deutsch-französische Fest am Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor anlässlich des französischen Nationalfeiertags noch aus. Zu präsent war da der Anschlag in Nizza, bei dem über achtzig Menschen starben. Im Laufe des Sonnabend aber sickerte die Meldung durch: Heute findet das Fest statt. Auch im Gedenken an Nizza. Auch im Sinne der direkt nach jedem Anschlag ausgerufenen Parole: Sie wollen, dass wir uns vor Angst verkriechen, wir aber werden weiter unser Leben in Freiheit leben wie bisher. Aus dem Besuch des kostenlosen Konzerts der Pariser Band Air ist schlagartig ein politischer Akt geworden.

Auf dem Dach der britischen Botschaft ums Eck weht die französische Fahne auf Halbmast, und vor der französischen Botschaft sind jede Menge Blumen abgelegt, auch ein Teddybär im Gedenken daran, dass in Nizza viele Kinder umgekommen sind. Auf einem Schriftbanner hat jemand seine Trauer bekundet, darunter jedoch warnend geschrieben: „Liebe Franzosen, wählt jetzt aber bitte trotzdem nicht Marine Le Pen zur nächsten Präsidentin.“ Dazwischen steht ein Typ, der aussieht wie eine wandelnde Litfaßsäule – vor dem Bauch ein Plakat, am Rücken eines, ein drittes hält er in die Höhe – und verbreitet antisemitische Parolen.

Inzwischen ist es 21 Uhr, das Konzert hätte vor einer Stunde beginnen sollen. Vor den Imbissständen bilden sich, nachdem das Fest nur schleppend in Gang kam, kleine Schlangen. Besondere Sicherheitsvorkehrungen sind nicht auszumachen, Taschen werden keine kontrolliert, die Polizei wirkt betont unaufgeregt. Man isst Quiche und trinkt Orangina.

Air live und das gratis, normalerweise wäre bei einem solchen Auftritt der weltweit bekannten Synthiepop-Band kaum weniger los als auf der Fanmeile. So aber gibt es wenig Gedränge vor der Konzertbühne direkt vor dem Brandenburger Tor. Die Besucher wirken weniger ängstlich als erschöpft und angespannt. Sie treibt die Frage: Was für eine Art von Konzert wird das hier?

Bevor es dann endlich losgeht: eine Schweigeminute im Gedenken an Nizza. Kurzer Applaus und dann betritt das Air-Duo Nicolas Godin und Jean-Benoît Dunckel gemeinsam mit einem Bassisten und einem Schlagzeuger die Bühne. Wie immer ganz in Weiß, auch wenn Schwarz die Farbe der Trauer ist. Aber Air wollen bei allem Respekt gegenüber den Toten keine Trauermesse zelebrieren, sondern das Weitermachen beschwören. Es wird, wie ursprünglich geplant, ein vermeintlich normales Konzert, bei dem die Band nebenbei auch ihr zwanzigjähriges Bestehen feiert. Nicht auszudenken, was ein Prediger wie Bono von U2 aus diesem Moment gemacht hätte. Von Nicolas Godin und Jean-Benoît Dunckel aber gibt es keinerlei warme Worte ans Publikum. Sie sind da, das soll Geste genug sein.

Etwas schleppend beginnt das Konzert, es ist leider viel zu leise, sodass zunächst kein Sog entstehen mag, der all die Sorgen und schweren Gedanken der Besucher mit sich davonreißt. Dann aber geht langsam die Sonne unter, die Französische Botschaft wird in den französischen Nationalfarben Blau, Weiß, Rot illuminiert, und Air spielen ihre bekanntesten Hits wie „Sexy Boy“ und „Kelly Watch The Stars“. Die Stimmung löst sich, das Publikum beginnt zu tanzen, zu jubeln, zu lachen. Nicht alles ist wieder gut, aber es fühlt sich doch etwas besser an. Und der Typ mit den antisemitischen Parolen ist irgendwann auch verschwunden.

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