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Kultur: Airbus: "Abgeordnete dürfen nur noch abnicken"

Wilhelm Hennis (79) ist einer der bedeutendsten Politikwissenschaftler der Bundesrepublik. Er war über 20 Jahre Ordinarius in Freiburg.

Wilhelm Hennis (79) ist einer der bedeutendsten Politikwissenschaftler der Bundesrepublik. Er war über 20 Jahre Ordinarius in Freiburg.

Herr Hennis, hat das Parlament eigentlich noch etwas zu sagen?

Immer weniger. Und das ist eine fatale Entwicklung. Die Abgeordneten dürfen nur noch abnicken. Dabei kann auch dieses Parlament so gut sein, wenn man ihm die Freiheit lässt. Die Debatte im Bundestag über den Import von embryonalen Stammzellen war dafür ein Beispiel. Da sah man plötzlich Gesichter, die man nie zuvor gesehen hatte. Und diese Abgeordneten konnten ihre Standpunkte auch eindrucksvoll schildern.

Müssen die Fraktionschefs den Abgeordneten mehr Freiheiten geben?

Die Herren Merz und Struck sollten sich überhaupt mehr zurücknehmen. Denn sie sind als Fraktionsvorsitzende vollkommen ungeeignet. Sie sind vielleicht gute Sprecher ihrer Parteien, aber das allein ist nicht der Job des Fraktionschefs. Das müssen Leute sein von großem parlamentarischen Rang, so wie ein Wolfgang Schäuble. Auch die SPD hat früher in der Opposition immer ihre besten Leute genommen. Aber es ist ja längst so: Die vorderen Bänke des ganzen Parlaments sind nicht mehr das Reservoir, aus dem man aufsteigt, vielleicht sogar eines Tages Kanzler wird. Das geht nur noch über das Amt des Ministerpräsidenten, und das halte ich für eine der größten Fehlentwicklungen unseres Landes.

Vielleicht sind die Abgeordneten einfach zu schwach?

Da fehlt es an selbstbewussten Leuten, die nicht nur zum Abzählen da sind. Das ist richtig. Wo war denn zum Beispiel der Sturm der Entrüstung von Abgeordneten, als Schröder am Parlament vorbei den Nationalen Ethikrat einsetzte? Das war doch ein Affront gegen den Bundestag.

Früher war alles besser?

Nein, natürlich nicht. Den Fraktionszwang gab es auch schon früher. Aber einige wenige, die gab es eben, die haben dann den Mund aufgemacht und den anderen damit Mut gemacht. Auch aufgrund ihres Ansehens im Parlament.

Der Kanzler hat alle im Griff?

Der Kanzler ist nur darauf bedacht, seine Macht zu erhalten. Das ist zwar nicht überraschend, aber dass Schröder so schnell zum Kohl wird, ist schon sehr ernüchternd. Er interessiert sich nicht für Einzelpolitik und auch nicht für das Große und Ganze. Warum ist Scharping noch im Amt? Weil er Schröder selbst anscheinend noch nicht genug schadet. Aber dem Land, der Bundeswehr, schadet Scharping. Die Streitkräfte müssen völlig neu organisiert werden, neue Aufgaben bewältigen, und der Verteidigungsminister ist schwach. Das geht doch nicht. Aber anscheinend interessiert das Herrn Schröder nicht. Er ist blind dafür.

Hört sich alles sehr negativ an.

Und das ist es auch. Weder das Parlament noch der Kanzler haben anscheinend erkannt, dass Deutschland faul geworden ist, dass wir uns nicht mehr fordern, dass Bildung und Wissenschaft verkümmern. Wer übernimmt dafür die Verantwortung? Ich wünsche mir einen starken Kanzler mit mehr Verantwortungsgefühl und ein Parlament mit starken Persönlichkeiten. Aber das sind fromme Wünsche.

Herr Hennis[hat das Parlament eigentlich noch etw]

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