zum Hauptinhalt

Kultur: Aktuelles Zeittheater erscheint Bayerns Kultusminister allzu suspekt (Glosse)

Der Freistaat Bayern tut sich schwer damit, seinem Staatsschauspiel die Freiheit einzuräumen, die es beansprucht. "Die Wahrnehmung schärfen!

Der Freistaat Bayern tut sich schwer damit, seinem Staatsschauspiel die Freiheit einzuräumen, die es beansprucht. "Die Wahrnehmung schärfen!", hatte sich die Intendanz zur Beginn dieser Saison vorgenommen, nämlich Positionen zu offenen Fragen der Gesellschaft zu formulieren. "Das ist die Stärke des Theaters als Freiraum", so Intendant Eberhard Witt und seine neue Chefdramaturgin Elisabeth Schweeger im Geleitwort zum Programm der Spielzeit, das unter dem Motto "Ach Deutschland . . ." eine Reihe von Uraufführungen verheißt. Töne, die in den Ohren des Staatsministers für Wissenschaft, Forschung und Kunst offenbar allzu schrill klingen. Jedenfalls hat Hans Zehetmair den Vertrag Schweegers zu unterschreiben so lange gezögert, bis Witt nunmehr die Konsequenz daraus gezogen und seinen vorzeitigen Rücktritt, zum 31. August 2001, angekündigt hat. "Reisende soll man nicht aufhalten", meint der CSU-Politiker dazu und erklärt, mit der Suche nach einem Nachfolger unverzüglich zu beginnen. Keine leichte Aufgabe, denn der Beteuerung des Staatsministeriums, man habe sich in personelle oder künstlerische Entscheidungen des Intendanten nicht einmischen wollen, fehlt jegliche Glaubwürdigkeit. Der Fall Witt/Schweeger erinnert vielmehr an Kaiser Wilhelms Bannfluch von anno dazumal, "die janze Richtung passt uns nich": Zeittheater, aktuelles, riskantes, erscheint dem bayerischen Kultusminister suspekt. Wenn schon die städtische Konkurrenz, die Münchner Kammerspiele unter ihrem künftigen Hausherrn Frank Baumbauer, zu einem Aufbruch in eine ungewisse Zukunft startet, setzend auf Innovation und dergleichen Flausen, dann soll es wenigstens im Staatstheater, im "Resi", gemütlich zugehen. Falls Zehetmair auf den scheidenden Kammerspielchef Dieter Dorn hoffen sollte, dürfte er sich täuschen, und dies nicht nur, weil Dorn inzwischen von Frankfurt am Main für die Nachfolge Peter Eschbergs umworben wird. Ein Wechsel von einer Münchner Straßenseite zur anderen, locker vom Hocker, wäre ein Treppenwitz der Theatergeschichte.

Günther Grack

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false