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Kultur: Albert Forster: Ohne Gnade, ohne Gewissen - Dieter Schenks Biografie über den Nazi

Männer wie ihn brauchte der Nationalsozialismus. Nur unter den besonderen politischen Bedingungen konnte der mäßige Gymnasiast Albert Forster Bedeutung erlangen.

Männer wie ihn brauchte der Nationalsozialismus. Nur unter den besonderen politischen Bedingungen konnte der mäßige Gymnasiast Albert Forster Bedeutung erlangen. Gerade 21-Jährig kam er 1923 mit der braunen Ideologie in Berührung. "Ich kannte überhaupt nichts anderes mehr als nur den Nationalsozialismus und Adolf Hitler."

Trotz begrenzter intellektueller Fähigkeiten erregte Forster rasch die Aufmerksamkeit von Julius Streicher - und das Interesse Hitlers. Forster brachte drei wichtige Voraussetzungen mit: Organisations- und Redetalent sowie Treue. Für Hitler organisierte Forster die Nazi-Partei im fränkischen Raum und zog 1930 als NSDAP-Mitglied in den Berliner Reichstag ein. Noch im gleichen Jahr schickte Hitler ihn als Gauleiter nach Danzig. Dort stieg er rasch zum heimlichen Herrscher der Stadt auf, die damals unter dem Schutz des Völkerbundes stand.

Gauleiter von Danzig-Westpreußen blieb Forster bis zum Kriegsende. Von höchster Stelle geschützt stattete er sein Amt mit absoluter Machtfülle aus. Wie zuvor der Danziger Senatspräsident und der Kommissar des Völkerbundes, konnte auch nach der Eroberung Danzigs und Polens niemand gegen ihn handeln. Die öffentliche Verwaltung, die Schlägertrupps des "Selbstschutzes", Polizei und Gestapo, später auch die Wehrmacht - alle waren von seiner Zustimmung und Mitwirkung abhängig. Im Februar 1952 wurde der überzeugte Nazi in einem Warschauer Gefängnis hingerichtet.

Akribisch bis hin zu genauen Uhrzeiten, hat Dieter Schenk das Leben und Wirken Albert Forsters recherchiert. Erstmals durfte der frühere Kriminaldirektor im Bundeskriminalamt auch Archivmaterial des polnischen Geheimdienstes auswerten. Seinen einstigen Beruf kann Schenk, der seit 1998 einen Lehrauftrag für die Geschichte des Nationalsozialismus an der Universität Lodz innehat, nicht verleugnen. Über weite Strecken liest sich sein Buch wie eine Ermittlungsakte. Genauer gesagt: So wie man sich eine solche Akte wünscht. Sauber trennt Schenk Fakten von Indizien und Indizien von Vermutungen. Selbst nach Entlastungsmaterial hat er gesucht, nur gefunden hat er nichts. Auch andere Historiker, die Forster im Vergleich mit anderen Nazi-Schergen, gelegentliche Anflüge von Humanität bescheinigen oder ihn von den Morden im KZ Stutthof freisprechen, widerlegt Schenk.

Gnaden- und gewissenlos exekutierte Forster den Willen Hitlers. Auch als Verführter oder Verblendeter kann er bei aller Ergebenheit für den Führer nicht gelten. Bewusst und willentlich schuf er die Voraussetzungen für Versklavung, Massen- und Völkermord. Für alle Verbrechen im Reichsgau Danzig-Westpreußen, so weist Schenk nach, war Albert Forster unmittelbar oder mittelbar verantwortlich. In dieser kriminalistisch überzeugenden Beweisführung liegt die Stärke des Buches.

Otto Diederichs

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