zum Hauptinhalt

Kultur: Alexander Ranner in der Galerie M+R Fricke

Wer dieser Tage am Schaufenster der Galerie M+R Fricke in der Linienstraße in Berlin-Mitte vorbeischlendert, wird sich vielleicht wundern, dass er unversehens in das Innere eines Schlafzimmers blickt: ein Bett mit Flokati-Teppich und ein furnierter Spiegelschrank vis à vis zum Fenster. Vielleicht wird der Passant auf den ersten Blick gar nicht bemerken, dass der vermeintliche Spiegel gar keiner ist.

Wer dieser Tage am Schaufenster der Galerie M+R Fricke in der Linienstraße in Berlin-Mitte vorbeischlendert, wird sich vielleicht wundern, dass er unversehens in das Innere eines Schlafzimmers blickt: ein Bett mit Flokati-Teppich und ein furnierter Spiegelschrank vis à vis zum Fenster. Vielleicht wird der Passant auf den ersten Blick gar nicht bemerken, dass der vermeintliche Spiegel gar keiner ist. Die Münchnerin Alexandra Ranner hat nämlich den Raum dahinter einfach verdoppelt: Das Bett hinter dem "Spiegel" aus Plexiglas ist so aufgestellt, als ob es sich spiegeln würde, also spiegelsymmetrisch. Erst die genauere Beobachtung entlarvt diese Täuschung. Das vordere Bett ist gegenüber seinem Pendant sogar etwas verkürzt. Im Grunde also ist das Zimmer vor dem Spiegel vielleicht tatsächlich auch das hinter dem Spiegel, nur mit dem Unterschied, dass der Betrachter nie auf die andere Seite kommt. Beim Eintritt in die Galerie sieht man nur die Rückseite der aus Pressspanplatten zusammengezimmerten Kulissenwände.

Im Grunde hat Alexandra Ranner bei dieser dreidimensionalen Umsetzung eines Schlafzimmer-Interieurs (30.000 Mark) zumindest eine Konstante der fotografischen Vorlgage aus einer alten Zeitschrift beibehalten: Die Blickposition ist vorgegeben, und der Blick auf die andere Seite, hinter den Spiegel, oder der Gang durch den Spiegel, wie es der kleinen Alice in Lewis Carrolls Roman "Alice hinter den Spiegeln" gelingt, sind unmöglich. Deshalb erscheint uns in der Wahrnehmung die Raumsituation so, als sei sie reflektiert. Doch es gibt eine merkwürdigen Irritation, da wir selbst in diesem Spiegel kein Bild hinterlassen. Das verwirrt die Logik der Erfahrung.

Das Schlafzimmer ist Alexandra Ranners erste raumfüllende Arbeit im Maßstab 1:1. Bisher hat sie stets kleinere Modelle benutzt, die sie ebenfalls nach Fotovorlage herstellte. In ihrem 18-minütigen Video "Espinho" (350 Mark), das nach dem portugiesischen Ort betitelt ist, an dem die Arbeit entstand, resultiert der illusionistische Effekt beispielsweise aus der Unsicherheit über den Maßstab. Dieses ansonsten leere Zimmer mit Bett, Teppich und Spiegelschrank besitzt nämlich ein Fenster auf die wirkliche Welt: Draußen zwitschern die Vögel, man sieht Züge vorbeifahren, die Nacht bricht langsam herein, und manchmal hört man Stimmen aus dem Off. Außerdem gibt es einen Fleck auf dem Boden, er könnte aus Blut sein, der sich zu vergrößern scheint. Das nur in einer einzigen, starren Einstellung gedrehte Video könnte die Exposition zu einem Krimi sein. Sein Thema könnte von Illusion, Wahrnehmung und Täuschung handeln. Kann man diesem Bild trauen? Welche Indizien lassen sich ihm entnehmen? Wie ein Kriminalist müßte man versuchen, der Täuschung auf die Schliche zu kommen. Denn wer etwas anderes zu sehen meint, als er sieht, der hat einfach nur zu oberflächlich hingeschaut.

Auch bei dem Schlafzimmerblick in den Spiegel kann man seine Wahrnehmung schulen, denn der Spiegelraum zeigt die Wirksamkeit der Illusion bei der Betrachtung von Bildern. Das Schlafzimmer als Ort der Träume realisiert das Bild einer Fotografie, deren reales Vorbild ebenso unbekannt wie unbestimmt ist. Wo ist in dieser Versuchsanordnung die Wirklichkeit, wenn nicht in der Illusion des Bildes als Abbild von Welt?Galerie Marion und Roswitha Fricke, Linienstraße 109, bis 21. Januar; Dienstag bis Freitag 14-19 Uhr, Sonnabend 12-16 Uhr.

rob

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false