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Alexanderplatz: Splitter-Akt

Eine feministische Installation am Alexanderplatz: Dreißig Frauen hacken Holz. Das Geräusch des Hackens wird mit Mikrofonen verstärkt und über große Lautsprecher in den Stadtlärm eingespeist.

Holzhacken rangiert in der Liste der als besonders weiblich geltenden Tätigkeiten sehr weit unten. Wer als Frau mit Arbeitshosen, Feinripp, einer riesigen Axt und einem Stöhnen wie Monica Seles beim Tennisaufschlag auf ein dickes, widerspenstiges Stück Birkenstamm eindrischt, dem traut man auch sonst eher Geschlechtsfremdes zu: im Blaumann und mit einem Schraubenschlüssel im Mund ölverschmiert unter Lastkraftwagen zu liegen oder Autos an dicken Seilen hinter sich herzuziehen.

Dorte Olesen, schwedische Choreografin und Künstlerin, sieht das anders. Sie inszeniert das Holzhacken als Inbegriff weiblicher Schlagkraft, im wörtlichen sowie übertragenen Sinn. Und deswegen hat sie sich die lebendige Installation „Frauen hacken Holz“ ausgedacht, die bis Mittwoch mitten auf dem Alexanderplatz zu sehen sein wird. Hier treffen 30 Frauen – Deutsche und Schwedinnen – aufeinander und hacken Holz, das auf besondere Art und Weise gestapelt wird. Das Geräusch des Hackens wird mit Mikrofonen verstärkt und über große Lautsprecher in den Stadtlärm eingespeist.

„Choreografie“ nennt die schwedische Initiatorin das Spektakel. Es besteht aus dem Akt des Schlagens, des Wegtragens, des Zurückkommens und des Weiterhackens, untermalt vom Rhythmus der Spaltgeräusche und kreischender Sägen. Gerade weil man sich eine klassische Choreografie anders vorstellt, tänzerischer, vielleicht auch filigraner, beharrt Olesen auf dem Begriff. Um zu zeigen, dass Weiblichkeit nichts mit Attributen wie Sexiness, Stilettos und Ballettröckchen zu tun hat.

Olesens Frauen arbeiten gegen Klischees an. Sie wirken etwas burschikos, sind meist kurzhaarig und marschieren als 30 Frau starker Pulk und mit gemeinsam geschmetterten Kampfrufen aus Richtung des Hackeschen Markts (wo sie eine Sicherheitsschulung absolvieren mussten) auf den Alexanderplatz ein. Dorte Olesen führt die Gruppe an, die Äxte geschultert hat und Arbeitskleidung trägt. Die Passanten am Alexanderplatz gucken irritiert. Ein kleines Mädchen zupft seine Mutter am Ärmel, als habe es eine Erscheinung. Aber man spürt auch: Eine starke Gruppe ist das. Eine, die geschlossen und motiviert ist, eine die zusammenhält und mit der man sich nicht würde anlegen wollen. In grünen, gestärkten Hosen und derben Stiefeln.

Die Frauen sind alle älter als 50 Jahre, denn auch das ist zentraler Bestandteil des Projekts. Dorte Olesen nennt sie „Schattenfrauen“, da sie jenseits einer bestimmten Altersgrenze aus der Gesellschaft ausgegrenzt und von vielen vergessen werden. Frauen, von denen man oft denkt, sie hätten nicht mehr viel zu melden, seien nicht mehr erotisch, hätten nicht viel zu bieten, seien schwach. Jüngere Frauen legen denn auch ein ganz anderes Selbstbewusstsein an den Tag, das der älteren Generation abhandengekommen zu sein scheint. Ihr Projekt, sagt Olesen, sei ein positives, starkes, aktives Statement der Frau in den besten Jahren, die kein Klimbim und keine Pumps braucht, um zu wissen, wo sie steht: „Wir sind wertvoll, wir haben Kraft und Vitalität“, fasst sie das schlummernde Ich-Gefühl zusammen.

Leider waren von dieser Art der Vitalitätsdemonstration anfangs nicht allzu viele deutsche Frauen überzeugt. Während die schwedischen Teilnehmerinnen schnell gefunden waren (vielleicht auch wegen des großen Erfolgs dieser Installation in Stockholm im Jahr 2007), suchten die Veranstalter etwas länger nach deutschen Teilnehmerinnen. Vielleicht, weil sich nicht gleich problemlos nachvollziehen lässt, warum zum Teufel man sich mit einer Axt drei Tage zum Holzhacken auf einen der belebtesten Plätze der Stadt stellen soll. Katja Kettner, Pressesprecherin des Projekts, führt dies unter anderem auf das mangelnde Selbstbewusstsein der älteren deutschen Frau zurück, die dazu tendiere, in einer ersten Reaktion „Das kann ich doch gar nicht“ zu sagen, anstatt die Axt munter draufloszuschwingen.

Dabei es gehe gar nicht darum, etwas zu können. Es sei kein Holzhackwettbewerb, sondern ein feministischer Akt, ein provokantes, lautes „Hallo, hier bin ich“ einer unterschätzten und abgeschriebenen Generation. „Frauen verschwinden irgendwann einfach aus der Gesellschaft. Und Männer werden Vorstandsvorsitzende oder so was“, sagt Kettner.

Auch der Alexanderplatz wurde als Austragungsort bewusst gewählt. Weil es dieser dreckige Platz ist, der mehr als jeder andere für Anonymität und Urbanität steht. Als Dorte Olesen im Garten ihres schwedischen Hauses gerade Holz hackte, fand sie, dass dies eine sehr persönliche, ursprüngliche, fast altmodisch-romantische Tätigkeit sei. Ihre Installation ist der Transfer des Ländlichen ins Urbane.

Klingt theoretisch gut, doch vor Ort wirken all die Baumstämme und die splitternde Betriebsamkeit skurril: Inmitten grauer Hochhäuser, nebenan das große Einkaufszentrum, der riesige Verkehrsknotenpunkt, hektische Passanten und Jugendliche, die am Brunnen nicht einmal so tun, als würden sie auf etwas warten; daneben das eingezäunte Areal mit aufgetürmten Birkenstämmen und gequälten Gesichtern zwischen fliegenden Äxten. Man sieht Frauen Bananen essen und Dehnübungen machen, wenn sie gerade nicht dran sind, und sich gegenseitig auf den T-Shirts unterschreiben wie Mädchen auf dem Ponyhof. Sara sagt: „Ich fühle mich kraftvoll und glücklich.“

Auf dem Rand des Brunnens sitzt ein Punk und sagt zu seinem Kumpel: „Geil, einfach mal richtig druffhauen.“

Alexanderplatz, bis 1. Juli, 12–18 Uhr.

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