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Erfolgsmodell Airbnb.

© AFP/ Martin Bureau

All-inclusive-Theater: Wir spielen Airbnb

Theater mit Übernachtungsmöglichkeit. Über All-inclusive-Theaterstücke, die sich mit Gentrifizierungsprozessen und den Verschiebungen von Grenzen beschäftigen.

Das Theater ist der Ort, an dem die Zeit verhandelt wird, so oder so. Sei es, dass sie nicht vergehen will, sei es, dass mit immer längerer Spieldauer sich erst ein Stück, ein Theaterabenteuer eröffnet und erschließt. Jan Fabres 24-Stunden-Performance „Mount Olympus“ – sie war vor einem Jahr im Haus der Berliner Festspiele zu erleben – schuf ein anderes Gefühl für das, was man sonst als Tag oder Nacht, Schlafen oder Wachen bezeichnet. Befreiend!

Ganz anders, aber auch aufs Existenzielle zielend, nahm „Hotel shabbyshabby“ den Zuschauer in Empfang. Das Raumlabor Berlin und Matthias Lilienthal haben diese nicht allzu luxuriösen Unterkünfte 2014 fürs Theater der Welt in Mannheim kreiert, und letztes Jahr gab es das Übernachtungsangebot zur Eröffnung von Lilienthals Intendanz an den Münchner Kammerspielen. Einem „shabby“-Zelt in der Maximilianstraße war freilich gleich anzusehen, im Kontrast zu den Luxusboutiquen und Designerläden, dass es sich nur um eine Kunstaktion handeln konnte.

Theater und Realität kurzschließen

Bei den „X Wohnungen“ vom HAU ging das Theater in private Räume; der umgekehrte Weg. Aber dahinter steckte die gleiche Idee – Theater und Realität kurzzuschließen

Ähnliches hat jetzt auch das Ballhaus Ost vor. Zu seinem 10-jährigen Bestehen verwandelt sich die Spielstätte in Prenzlauer Berg in das „Hotel Berlin“. Über die sechs Stockwerke des Hauses in der Pappelallee werden 75 Schlafplätze verteilt, buchbar über das hauseigene Webportal. Die Theaterleute sagen: „Wir spielen beispielhaft durch, wie ein Theater sein künstlerisches Kapital vermarktet, um trotz massiv steigender Mieten das eigene Fortbestehen zu sichern. Die Übernachtung beinhaltet Kollektiverlebnisse wie ein gemeinsames Essen, aber auch geführte Touren.“ Das Ballhaus spielt Airbnb, um die durch „Gentrifizierungsprozesse ausgelösten, für Berlin typischen Widersprüche, Ängste und Sozialdynamiken“ erfahrbar zu machen.

Grenzverschiebung und Erlebnisweitung

Warum nicht? Von einem Gesetz, das Theatern und anderen Kunsträumen die Vermietung als Ferienwohnung untersagt, hat man noch nichts gehört. Allerdings fragt sich, zumal in der Gegend, ob der interessierte Theaterbesucher all diese Dinge nicht ohnehin erlebt – in der eigenen Nachbarschaft. Das neue Zauberwort „immersiv“ macht hier die Runde. Soll heißen: Theater als unmittelbare Erfahrung, als ungefilterter Wirklichkeitskontakt. Immersiv ist das Gegenteil von eskapistisch. Hier wird nicht vor dem Alltag davongelaufen, vielmehr verdoppelt sich das ohnehin Vorhandene. Das Menschen auch dann begegnet, wenn sie nicht im „Hotel Berlin“ einchecken.

In den Sophiensälen gab es vor ein paar Jahren die Aktion „Acht Stunden (mindestens)“, genauer nannte es sich „ein Schlaflabor für die Müdigkeitsgesellschaft“. Morpheus, der Gott der Träume, und Orpheus, der Sänger, sind ja nicht nur phonetisch verbunden. Es geht in all diesen Projekten um Grenzverschiebung und Erlebnisweitung; eine Virtual-Reality-Brille von Sony nennt sich Morpheus. Traummaschine.

Das Theater ist aber auch der Ort, an dem man erwachen könnte aus einer Zeit, die albtraumhaft alles mit allem verquickt. Alles verknüpft, kuratiert, durchinszeniert: Wo ist der Ausgang?

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