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Kultur: Alle wollen Goethe

Im pakistanischen Lahore tobt ein bizarrer Streit um den Namen des bekanntesten deutschen Dichters. Jetzt bahnt sich eine Lösung an.

Eine merkwürdige Bibliothek: Konsaliks „Heimaturlaub“, Utta Danellas „Stella Termogen“, Arno Schmidts „Rosen und Porree“, Wilhelm Busch, ein Thüringenreiseführer und „Die Biere Deutschlands“ sind hier friedlich vereint. Und sind doch in einen erbitterten Streit zwischen Pakistanern und Deutschen verwickelt: Die Bücher finden sich im 3. Stock eines Hauses an einer Geschäftsstraße im pakistanischen Lahore. Historische Stiche zieren die Wände, am Eingang hängt ein braungolden gerahmter Goethe, „Lahore-Goethe-Zentrum“ steht da, schnörkelig in Weiß, Grün und Rot. Es ist die Schatzkammer des Amir Rafique. Er liebt die deutsche Sprache und fühlt sich als deren Sachwalter. Bloß glücklich ist er mit Goethe nicht, denn die Deutschen wollen den Namen zurück – für ihr Goethe-Institut.

Der Pakistaner ist Diplom-Ökonom mit Abschluss in Augsburg und Lehrer für Deutsch an verschiedenen Universitäten in der Zehnmillionenstadt Lahore, auch Shabaz Sharif, Bruder des wahrscheinlich nächsten Premierministers Nawaz Sharif, hat er in Deutsch unterrichtet. Er zog vor Gericht, mit Erfolg. 2012 bestätigten Pakistans oberste Richter, dass ihm der Titel zusteht. Im Internet nutzt er die Adresse www.goethezentrum.org.pk. „Ich habe die Bücher damals vor den Ratten im Keller gerettet“, erzählt der 55-Jährige orientalisch-theatralisch in seinem Büro. Er ist überzeugt, dass er die deutsche Kultur als Botschafter in Lahore vertritt, seit die Deutschen ihr Institut in den 90er Jahren aufgaben. Inzwischen hat das Goethe-Institut allerdings mit dem Annemarie-Schimmel-Haus in Lahore eine Vereinbarung getroffen: Es gilt ihnen nun als rechtmäßiges Goethe-Zentrum.

Amir Rafique zieht ein Schriftstück hervor. „Die deutsche Botschaft hat uns den Namen gegeben“, beharrt er. Nach dem Ende des Goethe-Instituts habe die Belegschaft die pakistanisch-deutsche Freundschaftsgesellschaft gegründet, bis 2000 habe der Verein 70 Prozent der Kosten getragen, 30 Prozent kamen von der Botschaft. 2001 ließ das Auswärtige Amt den Verein als Goethe-Zentrum eintragen. Es habe Streit mit dem Botschafter gegeben, sie standen ohne Unterstützung da, es gab Unstimmigkeiten auch innerhalb des Freundeskreises. Schließlich wurde das Annemarie-Schimmel-Haus eröffnet. Den Namen empfindet Rafique als Kränkung, denn „unsere Gruppe hat sich immer bei Annemarie Schimmel getroffen“. Auch hat die aktuelle Leiterin des Hauses, Nadia Riaz, nie mit Rafique gesprochen. Das sei nicht ihre Aufgabe, sagt sie.

Nun bahnt sich endlich eine Lösung an. Das federführende Goethe-Institut in Karachi hat seit Herbst einen neuen Leiter, Manuel Negwer, der das Hickhack beenden möchte. Negwer weiß, wie diffizil das Ganze ist, dass es wenig hilft, wenn jeder auf seiner Rechtsauffassung beharrt. Normalerweise trifft das Institut zeitlich begrenzte Kooperationsvereinbarungen mit Partnern, die sich so lange Goethe-Zentrum nennen dürfen, wie der Vertrag läuft. Die Vereinbarungen gelten weder lebenslang, noch sind sie an Personen gebunden. Doch bei Amir Rafique könnte es eine Ausnahme geben, er hat ja einen Rechtstitel und war „damals in unserem Auftrag Leiter des Goethe-Zentrums“, sagt Negwer. Rafique sei ein sehr qualifizierter Mann.

Von Feindbildern hält der Goethe-Chef nichts. Er will am Montag mit Rafique über eine Kooperation verhandeln. Dass endlich jemand ernsthaft mit ihm redet, freut Rafique. „Ich mache ja Dienst für Deutschland“, meint er und deutet an, unter bestimmten Bedingungen auf den Namen Goethe zu verzichten. An seinem Büro steht schließlich auch „Institute of Modern Languages“. Vielleicht gehört zu seinem Schatz bald auch etwas modernere deutsche Literatur. Ingrid Müller

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