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Auf so etwas Plumpes wie Weltherrschaft ist dieser Herr nicht aus: Der Joker.

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Allein gegen das Böse: Batman auf der Bühne

Ganz großer Zirkus fürs 21. Jahrhundert: Die „Batman Live“-Show feierte in London Premiere. Bald kommt die Show nach Berlin.

Von Jörg Wunder

Jeder Superheld ist nur so gut wie sein Feind. Deshalb sind einem die Kämpfe von Superman seltsam gleichgültig: Kein Gegner kann seinen Alienkräften Paroli bieten, ihm fehlt das menschliche Maß. Ganz anders Batman, der sich nur durch Athletik, Technologie und Intelligenz von Normalsterblichen unterscheidet und in der fiktiven Metropole Gotham City für Recht und Ordnung sorgt. Batman hat viele Feinde, und jeder könnte ihn erledigen. Batman agiert in Todesgefahr, und dieses Wandeln am Abgrund ermöglicht eine Empathie, die zu seinem Welterfolg als Comic- und Filmfigur beigetragen hat.

Jetzt wird versucht, ein weiteres Kapitel der Batman-Erfolgschronik zu schreiben, die durch Christopher Nolans Kino-Blockbuster „The Dark Knight“ mit über einer Milliarde Dollar Einspielergebnis eine neue Dimension erreicht hat. Die Bühnenshow „Batman Live“ soll fünf Jahre um den Globus touren – wenn alles so läuft, wie es sich die Macher der über zehn Millionen Pfund teuren Produktion erhoffen. In der als „The O2“ bekannten Londoner Mehrzweckhalle, die in den Millennium Dome hineingebaut wurde, bestaunen knapp 6000 Gäste bei der Premiere ein Spektakel, das explizit kein Musical sein soll – nach dem Desaster des New Yorker „Spiderman“-Musicals legt man großen Wert auf diese Feststellung.

Lesen Sie weiter: Von Flugeinlagen und Pyrotechnik. Das Programm der Bühnenshow.

Gut zwei Stunden dauert die Veranstaltung, plus ausgiebiger Unterbrechung – schließlich wollen die Merchandising- Stände ihre Ware verkaufen, und nach der Show wartet auf etliche Besucher das Bett. Denn „Batman Live“ zielt auf die ganze Familie. Dementsprechend weit ist der Bogen, den das Programm schlägt. Es gibt Akrobatik, Martial Arts, Zirkusnummern, Tanzchoreografien, Flugeinlagen, Pyrotechnik, Bodennebel, Spezialeffekte, Lichtgewitter, eine riesige LED-Videowand, einen bombastischen Score – und nicht zu vergessen das Batmobil: ein vom Formel-1-Designer Gordon Murray entworfener Hybrid aus Bodenrakete und Stealthbomber, der ein paar Mal mit Feuer speiender Antriebsdüse über die Bühne schleudert. Zumindest bei den kleinen Besuchern hinterlässt das Vehikel ebenso viel Eindruck wie der Rest des Spektakels.

Das mag daran liegen, dass die Story unfokussiert wirkt. Es wird zwar eine kontinuierliche Geschichte erzählt, die aber so viele Elemente aus der 80-jährigen Batman-Historie vereint, dass dem Laien rasch der Kopf brummt. Wer sind all diese Bösewichter, die sich zum Ziele der Beseitigung ihres Plagegeists zusammentun, aber an Unfähigkeit und Überheblichkeit scheitern? Sie alle – der schizophrene Two-Face, der eitle Riddler, der verbitterte Pinguin, die Giftmischerin Poison Ivy, die zwielichtige Catwoman – werden in den Comics durch ganze Heftserien geführt, während sie in der dramaturgischen Verdichtung von „Batman Live“ nur Stichwortgeber und Prügelknaben sind.

Autor Allan Heinberg meint, dass die Konzentration auf einen der Batman-Erzfeinde zwar die Hardcore-Fans begeistert hätte, so aber ein größeres Potenzial für spektakuläre Bühnenaction vorhanden sei. Das kann man so stehen lassen. Tatsächlich wird die dramaturgische Plausibilität dem Willen zum Spektakel untergeordnet. Großes Hallo, als der grauschwarze Rächer zum ersten Mal aus luftiger Hallenhöhe in die durch Straßenraster und Gebäudemodelle angedeutete Gotham City hinabschwebt, um nach einem markigen „I am Batman“ die Bösen aufzumischen. Verständlich, dass die Produzenten einen hyperkinetischen Kämpfer wie Batman nicht bloß als Bodenturner charakterisieren wollen. Daher gibt es immer wieder aufregende Fights unterm Hallendach – eine komplizierte Drahttechnik ermöglicht Batman und seinen Gegnern schwerelos wirkende Choreografien. Zudem wird das zirzensische Element betont: Im Zentrum der Story steht der junge Dick Grayson, der später als Robin zum Sidekick von Batman wird. Seine Eltern, berühmte Hochseilartisten, werden mitten in einer Vorführung ermordet – ihr zeitlupenhafter Absturz vom Trapez ist ein anrührender Moment in der ansonsten selten subtilen Show.

Lesen Sie weiter: "Batman hat keinen Humor." – Der Auftritt des Jokers.

„Batman Live“ bekommt seine eigentliche Attraktion mit dem späten Auftritt des Jokers, wodurch der zweite Teil des Abends intensivere Eindrücke hinterlässt. Sein Größenwahn, seine strategische Brillanz, seine nihilistische, eben nicht auf so etwas Plumpes wie Weltherrschaft zielende Boshaftigkeit machen ihn zum idealen Superschurken. Der routinierte Theaterschauspieler Mark Frost verleiht dem Joker mit gurgelnder Stimme einen differenzierten Charme und kostet die hinterhältigsten Kampfszenen und besten Monologe des Stücks aus. „Batman hat keinen Humor“ ist einer dieser simplen, grandiosen Sätze. Tatsächlich ist Batman ein arger Holzmichel, der mit Moralpredigten nervt und als Kämpfer nicht überzeugt. Zum Glück hat er den agilen Robin und den distinguierten Butler Alfred auf seiner Seite, und spätestens nach dem erlösenden Kuss mit der die Seiten wechselnden Catwoman ist ihm der Schlussapplaus sicher.

Die Klimax der Show spielt im berüchtigten Arkham Asylum, einer Verwahranstalt für Schwerverbrecher. Dort baumeln in Zwangsjacken eingenähte Delinquenten an Ketten von der Decke, während ein drei Meter großer Vogelscheuchenmann zwischen ihnen herumtorkelt und Batman mit Giftgas benebelt. Eine visuell starke Szene, die wenig kinderkompatibel wirkt.

Es sind immer wieder die grandiosen, an die „Batman“-Filme von Tim Burton erinnernden visuellen Einfälle, die über dramaturgische Hänger hinwegtrösten. Ein gigantischer Joker-Kopf, dessen bewegliche Zähne, Augen und Haare von Mitgliedern der Crew gebildet werden, ein burleskes Big-Band-Ballett in der Eisbar des Pinguins, die Flucht des Jokers mit einem brennenden Ballon, die stilisierte Architektur von Gotham City – „Batman Live“ kann zwar mit der computergenerierten Tricktechnik aktueller Filme nicht konkurrieren, transportiert dafür aber ein mehr im Schaustellergewerbe wurzelndes Ethos des Handgemachten.

Hier liegt die Chance eines Unternehmens, das trotz mancher Schwächen einen beträchtlichen Charme ausstrahlt: Als eine Art Mega-Zirkus des 21. Jahrhunderts könnte die Show sowohl Nostalgiker wie auch Entdeckungslustige begeistern und somit ihr Publikum finden.

Liverpool, Echo Arena, 7.–11.9.; Dublin, O2 World, 28.9.–1.10.; Berlin, O2 World, 11.–15.1.2012 (synchronisiert).

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