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Kultur: Alles klar?

Caroline Fetscher über die Durchschaubarkeit von Redewendungen Das Regal mit dem Olivenöl ist leer. Wann es wieder dieses klasse Öl im Laden gibt, möchte die Kundin gerne wissen.

Caroline Fetscher über die

Durchschaubarkeit von Redewendungen

Das Regal mit dem Olivenöl ist leer. Wann es wieder dieses klasse Öl im Laden gibt, möchte die Kundin gerne wissen. Wir ham keins da, sagt die Verkäuferin. Jaja, das sehe ich, sagt die Kundin. Wann gibt es wieder welches? – Woher soll ich wissen, wann wir das wieder reinkriegen? Die Kundin ist beharrlich: Morgen? Nächste Woche? Nächstes Jahr? Nun wird die Verkäuferin ungehalten. Wir befinden uns an der Aldi-Kasse, es gibt kein Gedränge. Gleichwohl: Dumme Fragen sind unerwünscht. Sag ich doch, ich weiß nicht! Wie oft kommt es denn? Einmal im Monat? Keine Ahnung, wir ham keins da.

An dieser Stelle der Konversation rettet sich die Kundin in den beschwichtigendsten Satz, der ihr in den Sinn kommt, einen Zweiwortsatz, der in der deutschen Sprache in den letzten Jahren inflationär geworden ist: „Alles klar!“ Die Verkäuferin blickt erleichtert auf. Sie wurde verstanden. Die Kundin geht verwirrt in sich: Wieso sagt sie sowas Blödsinniges? Bei „Alles klar“ handelt es sich um eines der anschaulichsten Beispiele für Sprache im technischen Zeitalter. „Alles klar“ suggeriert Transparenz, Problemlosigkeit und Leichtigkeit, Wir-machen-das-schon, Wird-schon-werden, und generelles Okay zur Verständigung. Ursprünglich verwendet wie ein Abmeldespruch im Funkverkehr – „Roger!“ stand hier Pate – ist „Alles klar“ mehr als die bloße Schlussformel beim Verabreden oder beim Empfangen einer Anordnung. „Alles klar“ ist so umfassend einsetzbar wie sonst nur die schwachsinnige Zweiwortphrase „Kein Thema“. Zum Beispiel: Wir können da drüben noch eine Steckdose anbringen, kein Thema.

Beide Zweiwortphasen sind nicht unbedingt orientiert an Verständigung, sondern an dem Wunsch, dass es keine gibt: dass es weder zu einem Thema noch zu Klarheit kommt. Statt etwas Klares und Thematisches zu berühren, greifen diese Zweiwortphrasen in das Sprechen ein, wie kleine Scharniere, agrammatische Legosteine mit Gelenk. „Alles klar“ oder „Kein Thema“ können alles mit allem verknüpfen, unterschiedslos und für die Sprechenden erfreulich inhaltsfrei. So suggerieren diese Legosteine Alltagssituationen, in denen das Gesellschaftliche eine fröhliche Werkstatt der Machbarkeit bildet. Wenn es aber tatsächlich ans Machen geht, verwenden die Nutzer solcher Phrasen gern das vielsagende Vierwortgespann „Mach Dir keinen Kopf!“ Nee, machen wir nicht. Kopf? Kein Thema. Alles klar.

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