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Kultur: Alles so schön Bund hier

Kulturförderung oder Politik: Gipfelgespräch mit Adrienne Goehler und Hortensia Völckers

Frau Völckers, Frau Goehler, Ihre Kulturstiftung und Ihr Fonds sind Instrumente der Bundeskultur, beide Fördergremien sind mit Politikern besetzt. Wie frei sind Sie in Ihrer Entscheidung?

HORTENSIA VÖLCKERS: Wir werden nicht instrumentalisiert, um etwa ein Orchester zu bezahlen, das einen Politiker begleiten soll. Natürlich haben wir produktive Diskussionen im Stiftungsrat. Aber die Stiftung ist so gebaut, dass der Stiftungsrat mit dem Vorstand die Themen und Schwerpunkte festlegt. Am Ende sind es dann Fachleute, die über konkrete Projekte entscheiden.

ADRIENNE GOEHLER: Beide Instrumentarien tragen zur „Verflüssigung“ von den in Deutschland traditionell auseinander liegenden Ebenen Kunst und Politik bei. Wir haben Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit gegeben, weit über den Kunstkontext hinaus zu operieren. Das bedeutet eine Selbstbefragung der Kunst auch im Hinblick auf: Was können wir politisch ausrichten?

Wenn es politisch wird, gibt es schnell Streit, vor allem beim Hauptstadtkulturfonds. Das war 2003 bei der RAF-Ausstellung nicht anders als jetzt bei der Zwischennutzung im Palast der Republik.

GOEHLER: Sowohl bei der RAF-Ausstellung als auch beim Palast der Republik hat es keine „Verflüssigungen“ zwischen Kunst und Politik gegeben. Leider, denn beide Projekte, die bundesweite und internationale Aufmerksamkeit erzeugten, hätten auch eine politische Debatte befördern können.

Gestern wurde die vom Stadtmuseum geplante Palast-Ausstellung abgesagt. Der „Spiegel“ wirft Kultursenator Thomas Flierl vor, Berlin hätte den Bund über eine Beteiligung der Bundeszentrale für politische Bildung falsch informiert.

GOEHLER: Wir erleben das zweite Mal, dass die Bundeszentrale für politische Bildung eine Zusage in eine Absage verwandelt. Die Zusage war eindeutig. Die Rolle von Kulturstaatsministerin Christina Weiss kann ich nicht mehr beurteilen.

Nach dem Streit um die RAF-Ausstellung gab es Veränderungen bei der Struktur des Hauptstadtkulturfonds. Sie haben Ihre Stimme in der Kommission verloren.

GOEHLER: Es heißt, das sei eine reine Anpassungsmaßnahme an andere Förderinstrumente gewesen. Aber dass die Kuratorin die Stimme der Kunst im Gremium vertritt, hatte natürlich große Vorteile. In der politischen Kommission wird jetzt viel weniger diskutiert als früher. Aber meine Verantwortung hört am 30. April 2006 auf. Dann gibt es Bundestagswahlen, und das Spiel ist offen. Ich bin leider nicht sicher, ob dieses kluge Instrumentarium so weiter bestehen wird.

Wäre Ihr Rat: Nur nicht auffallen, sonst gefährdet man die eigene Existenz?

VÖLCKERS: Man kann gar nicht laut genug sein. Über die RAF-Ausstellung zum Beispiel ist nicht genug diskutiert worden. Das eine ist eine Streitkultur. Das andere ist: das Fördermedium überhaupt in Frage stellen. Das ist sehr gefährlich.

GOEHLER: Es wäre sicher klug gewesen, man hätte das Projekt in einen erweiternden Kontext gestellt, zum Beispiel mit der Bundeskulturstiftung abgestimmt und gleichzeitig eine Ausstellung im Deutschen Historischen Museum organisiert. Doch angesichts der Drohungen sind allen die Nerven durchgegangen.

Und wie sieht es mit politischen Vorgaben bei der Bundeskulturstiftung aus?

VÖLCKERS: Es ist mir in 20 Jahren noch nie passiert, weder bei den Wiener Festwochen noch bei der Documenta, dass direkt Einfluss genommen wurde. Natürlich kann man bei der Schiller-Nacht in der Akademie der Künste sagen, das sei Bundeskunst. Aber das Schillerjahr soll ja auch von nationaler Ausstrahlung sein.

Wie laufen solche Diskussionen ab? Sagt die Kulturstaatsministerin: Ich will jetzt etwas Großes zu Schiller?

VÖLCKERS: Das ist viel unaufgeregter. Frau Weiss lädt uns ein. Und dann kommen Verleger, Veranstalter, Museumsleute, alle, die mit Schiller etwas planen. Das war wie ein Sektentreffen, alle waren wie besessen, mit den „Ästhetischen Briefen“ in der Tasche. Und dann hatte irgendjemand die Idee zu dieser Nacht.

Nach welchen Kriterien fördern Sie? In letzter Zeit gab es neben der Schiller-Nacht, die UeckerAusstellung im Gropius-Bau, die Transmediale oder Peter Brook in den Sophiensälen.

VÖLCKERS: Wir fördern Gegenwartskultur, und zwar auf Bundesebene, im internationalen Zusammenhang. Anders ist Gegenwartskultur nicht denkbar.

GOEHLER: Wir fördern Hauptstadtrelevantes, Innovatives und Experimentelles, Projekt, die bedeutende Berliner Kunsttraditionen weiterführen und über Berlin hinausweisen. Wir machen keine Erstförderung.

Sie haben sich unlängst beide Schwerpunkte gewählt, zum Beispiel Tanz. Wie arbeiten Sie zusammen?

VÖLCKERS: Tanz ist bei uns ein Schwerpunkt unter anderen. Nur sind Theater, Musik, Bildende Kunst im Kanon der Kunstformen fest verankert. Beim Tanz war das nie so. Deshalb gibt es einen Tanzplan: eine Maßnahme, um den Tanz in Deutschland zu stärken.

GOEHLER: Es gibt eine vitale, internationale Tanzszene in Berlin, die sich mit den herkömmlichen Mitteln zu wenig entfalten konnte. Mit einer Million Euro für drei Jahre Tanzschwerpunkt stärkt der Fonds den Produktionsort Berlin.

Gibt es bei Ihnen eine Berlin-Klausel: Da soll besser der Hauptstadtkulturfonds ran?

VÖLCKERS: Berlin spielt bei unserer Förderung keine Sonderrolle. Aber aus Berlin kommen einfach sehr viele Anträge. Wir stimmen uns immer ab.

GOEHLER: Ein Beispiel: Wir haben die Transmediale gefördert. Nach drei Jahren waren unsere Möglichkeiten erschöpft. Zum Glück hat die Bundeskulturstiftung gesagt: Die Qualität ist so ausgezeichnet, da können wir noch eine Stufe weiterdrehen, für fünf Jahre.

VÖLCKERS: Oder die Kubrick-Ausstellung: Die haben wir bei ihrer Entstehung in Frankfurt gefördert, der Hauptstadtkulturfonds hat dann dafür gesorgt, dass die Ausstellung auch nach Berlin kommt. Das ist eine perfekte Zusammenarbeit.

Für die Bundeskulturstiftung gab es immer wieder Fusionspläne mit der Kulturstiftung der Länder, die am Widerstand der anderen Bundesländer gescheitert sind. Wie sehen Sie die Zukunft Ihrer Stiftung?

VÖLCKERS: Ordnungspolitisch ist eine Fusion mit der Kulturstiftung der Länder sehr erwünscht. Die derzeitigen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern lassen jedoch nicht auf eine baldige Fusion schließen. Die Abstimmungsmodalitäten sind kompliziert. Doch das im Sinne der Vielfalt chaotische Kulturleben in Deutschland ist auch eine Form von Reichtum, deshalb bin ich gegen zu viel Systematisierung. Sie kann auch zu einer Konzentration führen, die der Kultur nicht unbedingt förderlich ist.

GOEHLER: In Zeiten, in denen alle Synergien suchen, ist es fragwürdig, dass die Bundeshaushaltsordnung zum Beispiel verbietet, dass wir gemeinsam fördern. Wir wären in diesem Land weiter, wenn der Staat dort, wo weniger zu verteilen ist, ein Stück weit loslassen würde.

– Das Gespräch führte Christina Tilmann.

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