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Kultur: Alles so schön steif hier

BELCANTO

Schön, wie Tipi-Impresario Holger Klotzbach die „natürliche Thermik“ des Tipi-Zelts thematisiert: Wir Damen sind aufgefordert, mit den gratis ausgeteilten Fächern fleißig zu fächeln, das Applaudieren dabei aber nicht zu vernachlässigen. Charme mit Hintersinn – eine Tonart, die die zehn Teñoritas (bis 31. August) bei ihrem Berlin-Debüt zu selten anschlagen. Denn die Ladies aus den USA, Israel, Kolumbien und Deutschland sind vor allem eins: stimmgewaltig. Nicht dass sie keinen Humor hätten. Die Vorstellungsrunde würzen sie mit akzentgefärbten Kontaktanzeigen, die Christel von der Post kommt als „Sex and the City“-Geschöpf daher, und wenn sich die Soubrette zur Wagner-Walküre aufschwingt, ahnt man, welche Sprengkraft eine Bühne voller konkurrierender Diven eigentlich birgt. Leider liebt Arrangeur und Pianist Marty Jabara es amerikanisch: strenge Chorusline, festgezurrte Pointen. Viel Effekt, kaum Raffinesse. Ein Männerwitz macht noch keinen Frauenabend: Carmina Burana und „Goldfinger“-Medley, Puccini, Rio Reiser und Janis Joplin – meist wird tutti geschmettert, ausgenommen manch eher brav absolvierte Solonummer. Und die Stimmbänder wie zum Korsett geschnürt.

Singen können die Teñoritas schon, ob in Anzug und Krawatte oder als Gogo-Girlies. Bloß der Esprit fehlt, erst recht die musikalische Anarchie. Wir Berliner Zeltbesucher sind verwöhnt: Das bisschen Typenkabinett – Lolita, Femme Fatale, Rockröhre, Koloratursopran – genügt uns nicht. Alles so schön steif hier. Aber Sexappeal kommt auch von der Lust am Spielen.

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