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Kultur: Alles wird gut

Einmal durch das vollbesetzte Restaurant auf die Toilette gehen, während alle zusehen - ein Spießrutenlauf. Das Telefon bedienen, obwohl man beim Gespräch dem anderen nicht ins Gesicht sehen kann - höchst unangenehm.

Einmal durch das vollbesetzte Restaurant auf die Toilette gehen, während alle zusehen - ein Spießrutenlauf. Das Telefon bedienen, obwohl man beim Gespräch dem anderen nicht ins Gesicht sehen kann - höchst unangenehm. Im Supermarkt auf unfreundliche oder aggressive Zeitgenossen treffen - kann passieren. Im Zug sitzen und plötzlich Zweifel bekommen, ob es auch der richtige ist - nur zu verständlich. Alles Ängste, die jeder kennt oder nachvollziehen kann. Nur wenn sie alle zusammenkommen, dann landet man schnell in der Psychiatrie.

So ist es Elling gegangen. Sein behütetes Leben endete mit dem Tod der Mutter. Und plötzlich kamen da Leute, die verlangten, er solle sein Leben selbst in die Hand nehmen, das Haus verlassen, einkaufen, kommunizieren. Sie brechen in seine Welt ein, bringen Unruhe und Konflikte - und Elling will doch einfach nur in Ruhe gelassen werden. Als er die Chance bekommt, nach jahrelanger Sicherheit in der Psychiatrie in einer betreuten Wohngemeinschaft mit seinem Freund Kjell Bjarne wieder zurück ins alltägliche Leben zu treten, empfindet er das zunächst als Zumutung und Bedrohung.

Elling, der Ritter von der traurigen Gestalt, ist so etwas wie ein skandinavischer Nationalheld geworden. Vier Romane von Ingvar Ambjörnsen, ein Theaterstück und jetzt der Film haben ihn so populär gemacht wie unlängst "Amélie" in Frankreich. Wie ein neuzeitlicher Don Quichote kämpft Elling gegen Gewalt, Missbrauch, Verwahrlosung, Unruhe in der Welt - immer begleitet von seinem treuen Sancho Pansa, dem hünenhaften Kjell Bjarne, der nur ans Essen und an Frauen denken kann. Jeder fünfte Norweger hat die Abenteuer des ungleichen Paars im Kino verfolgt. Und eine Nominierung für den "Oscar für den besten fremdsprachlichen Film" hat es auch noch gegeben.

Der Erfolg ist verständlich: Elling verkörpert geläufige Ängste, Ressentiments, und Komplexe - und ermöglicht dem Zuschauer mit seinem trocken-lakonischen Kommentaren gleichzeitig, darüber zu lachen. Kauzig und liebenswert, schüchtern und skurril, ist Elling, die Identifikationsfigur für alle Erniedrigten und Verzweifelten. Per Christian Ellefsen, der schon in der Theaterfassung den Elling gab, spielt Elling als Kavalier alter Schule, dem das Misstrauen in jeder Stirnrunzel und der Schalk im Augenwinkel sitzt. Ein echter Typ - das ist viel mehr, als viele Angepasste von sich sagen können.

Regisseur Peter Naess, der auch die Theaterfassung inszenierte, muss kaum mehr tun, als seinen ungleichen Protagonisten entspannt das Feld zu überlassen. Gleichzeitig vermittelt sein Film die Hoffnung, dass sich reaktionäre Ansichten und Feindseligkeit ebenso heilen lassen wie die Angst vor dem täglichen Brötchenkauf. Eine Welt, in der Elling leben kann, ist eine bessere Welt. Mit dieser Botschaft mag "Elling" getrost reüssieren - und sei es nur, weil er die wundervolle Erfindung eines " Sauerkrautpoeten" enthält.

Christina Tilmann

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