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Zirkusdirektor. Alligatoah landet im Heißluftballon.

© imago/Future Image

Alligatoah in der Zitadelle Spandau: Komalabern

Wegen seiner sexuellen Drastik gilt der Berliner Spaßrapper Alligatoah als Skandalkünstler. Beim Auftritt in der Zitadelle Spandau bewies er, dass er nicht anders kann.

Das Humorniveau des Abends lässt sich bereits vor Beginn des Konzertes am Merchandising-Tisch erahnen. Meistverkaufter Artikel ist ein T-Shirt mit der Aufschrift: „Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Alligatoah du Fotze.“

Noch während Teenager mit rosafarbenen Plüsch-Einhörnern unter dem Arm dafür ihr letztes Taschengeld ausgeben, fällt der Vorhang und gibt den Blick frei auf eine knallige Szenerie. Alligatoah kommt nicht zu Pferde auf die Bühne, sondern in einem Heißluftballon. Seine Begleitband trägt überdimensionierte Engelsflügel. Über allem thront eine riesige, goldene Kuh. Ein Abend der Götzenanbetung? Frenetisch feiert das überwiegend junge Publikum seinen Zeremonienmeister. Die Inhalte seiner Predigten sind streckenweise akustisch schwer zu verstehen. Macht nichts, die vulgärsten Passagen werden in der ausverkauften Zitadelle Spandau aus tausenden Kehlen unisono mitgesungen.
In Interviews betonte der Künstler zuletzt stets die subversive Tiefe seiner Werke. Seine gesellschaftskritischen Texte sind wortgewandt und in ironisches Geschenkpapier gewickelt. Doch an dieser Doppelbödigkeit scheinen manche im Berliner Publikum zu scheitern. Die Atmosphäre erinnert zeitweilig an den Ballermann, triebenthemmtes Männlichkeitsgebaren und Rauschexzesse inklusive. Zwischen den dargebotenen Stücken werden immer wieder laut Songs von Trailerpark eingefordert, dem Rapkollektiv von Alligatoah.

Sprachrohr der YouPorn-Klicker

Laut Selbstbeschreibung ist es „das Sprachrohr für eine Jugend, geprägt vom Komasaufen, YouPorn-Clips und exzessiven Nihilismus.“ Ihren Ruf als Skandaltruppe festigten sie im vergangenen Dezember bei einem Konzert im Velodrom mit expliziten sexuellen Handlungen. Die Darbietung in Spandau ist freilich gemäßigter. Zwar wird ein bisschen Fellatio simuliert, dann mit den Bühnenelementen kopuliert, aber vor allem monologisiert. Das Geschwafel ist phasenweise länger als die Songs.
Mit seinem roten Mantel und dem Zylinder auf dem Kopf erinnert Alligatoah an einen Dompteur, stets bemüht, Herr des anarchischen Zirkus zu bleiben, den er entfesselt. Das gelingt ihm nicht immer. Als er zum Abschluss im Refrain seines bekanntesten Liedes fragt: „Willst du mit mir Drogen nehmen?“, liegen viele schon zugedröhnt auf dem Rasen.

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