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Kultur: Alpenglühen in Braun

Salzburger Festspiele: „Die Liebe der Danae“ von Richard Strauss

Von Sybill Mahlke

Als goldener Regen fällt der Gott ihr in den Schoß, und Danae wiederholt in melodiöser Naivität, dass es das Gold sei, das sie geliebt habe. Die vorletzte Oper von Richard Strauss geht auf den Mythos zurück, nach dem ein Sohn des Zeus/Jupiter von „selbstströmendem Gold“ gezeugt wurde. Ein Goldregen-Zwischenspiel mit Klarinette, Flöte, Glockenspiel und Celesta klingt berauschend auf, eine sehr Straussische Musik. Und doch bleibt es nicht bei dem mächtigen Gott, dessen Verwandlungen in einen Stier, einen Schwan oder in Amphitryon zu seinen Eroberungen irdischer Weiblichkeit gehörten. In der „Liebe der Danae“ muss Jupiter einen Misserfolg einstecken, weil das Mädchen einen anderen erwählt: den Eseltreiber Midas, der auf Gottesbefehl kurzfristig die Rolle eines Goldkönigs spielt, dann einem üblen Trick des strafenden Olympiers anheim fällt, um schließlich doch in wahrer Liebe zu siegen: „Gesegnet die Armut, die uns vereint!“

Es geschah gleichsam unter der Hand, der komponierenden, dass Strauss sich mit Jupiter identifizierte. Regisseur Günter Krämer gewinnt daraus die Konsequenz, seine Inszenierung des unzeitgemäßen Werkes auf dessen Salzburger Aufführdaten zu beziehen: 1944 die berühmteste aller Generalproben als Uraufführung vor geladenen Gästen, endend mit dem Strauss-Dank: „Vielleicht sehen wir uns in einer besseren Welt wieder“; die eigentliche Uraufführung 1952 nach seinem Tod und nun 50 Jahre danach die Premiere der Festspiele unter der neuen Intendanz Peter Ruzickas.

Strauss, Weltkrieg, Salzburg: Bei Krämer endet das Stück dann auch vor dem Obersalzberg, wo man derzeit ein neues Hotel errichtet. Im Bühnenbild von Gisbert Jäkel scheint hinter der Veranda die Alpenlandschaft bei Berchtesgaden im Abendrot auf, während der Gott, seiner selbst nicht mehr mächtig, in einen Liegestuhl geleitet wird. Neben ihm nimmt Juno Platz, seine wachsame Gattin und Krankenpflegerin – eine stumme, von der Regie hinzugefügte Rolle. Das Outfit dieser Figur (Kostüme: Falk Bauer) verrät die Beharrlichkeit brauner Vergangenheit in der Gegenwart. Danae findet ihren Midas im heutigen Salzburg wieder.

Krämer folgt dem Werk, desssen Libretto der Wiener Theaterprofessor Joseph Gregor nach einem alten Szenenentwurf Hugo von Hofmannsthals gezimmert hat, indem er mit der „Heiteren Mythologie in drei Akten“ ernst macht. Denn der „germanische Grieche“ Strauss nimmt Abschied, und Jupiters Abschied schließt die Aura der Wotan-Tragödie ein. Gleich zu Beginn, in der Endzeitszenerie, wird das Goldregen-Intermezzo zum Feuerzauber auf dem Obersalzberg. Der fragwürdige Goldtraum der – gedoubelten – Danae heißt Flucht aus der Wirklichkeit, und das Hofmannsthal-Wort, „machen wir mythologische Opern“, gehörte schon 1920 in diese Illusion. Hans Hotter, Jupiter-Darsteller der Generalprobe 1944, bewahrte den „unbeschreiblichen Jubel“ nach der Vorstellung in seiner Erinnerung.

Dieses Werk zu feiern, wie es in Salzburg jetzt geschieht, heißt den rückschrittlichen Richard Strauss zu akzeptieren. Die Aufführungspraxis ist auf dem Weg. Fabio Luisi läßt die Sächsische Staatskapelle musikalisch leuchten, und der Chor aus Dresden steht ebenso für die Koproduktion mit der Semperoper ein. In der Pause wurde für die Opfer der Dresdner Flutkatastrophe gespendet.

Das Outfit ist modern. Männer im weißen Bademantel mit schwarzen Brillen und Strohhüten, Urlaubgestalten, sehen einander zum Verwechseln ähnlich. Aus dem Verwirrspiel Jupiter-Midas zieht Krämer possierliche Komödiantik. Dass er die buffonesken Szenen mit den vier verflossenen Geliebten des Gottes (hervorragend besetzt mit Iride Martinez, Britta Stallmeister, Anke Vondung und Annette Jahns) und ihren königlichen Gatten bisweilen modisch überanstrengt, verweist aber auch auf die stilistischen Unebenheiten des Werkes. Semele, Europa, Alkmene und Leda stellen sich unvermutet als Eiskunstläuferinnen einem Juror ns Merkur (Torsten Kerl) vor.

Die lyrisch-pathetischen Hauptpartien dagegen fordern zu stimmlichen Gratwanderungen heraus, denen sich Deborah Voigt in der Titelrolle, Albert Bonnema als Midas und Franz Grundheber als resignierender Gott stellen. Drei Sänger, die mit ihren Gesängen aus ganzer Seele den Abend tragen. Hans Hotter, der Jupiter im Salzburger August des „totalen Krieges“, und Franz Grundheber als Jupiter eines Salzburger Neubeginns: Mit ihrem Alpenglühen ist die Aufführung dazu angetan, diese Perspektiven einzubeziehen in das Nachdenken über „Danae“.

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