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Kultur: "Alte Kuchen, sehr schön präsentiert"

Der "emanzipatorische Auftrag der Architektur" stand am Beginn der Karriere des niederländischen Architekten Herman Hertzberger.Das wegweisende "Centraal Beheer" Versicherungsgebäude in Appeldoorn von 1974 hatte die Aneignung durch die Benutzer im Blickfeld und wie in einer orientalischen Kasbah eine Bürolandschaft als Labyrinth unterschiedlichster Innenräume.

Der "emanzipatorische Auftrag der Architektur" stand am Beginn der Karriere des niederländischen Architekten Herman Hertzberger.Das wegweisende "Centraal Beheer" Versicherungsgebäude in Appeldoorn von 1974 hatte die Aneignung durch die Benutzer im Blickfeld und wie in einer orientalischen Kasbah eine Bürolandschaft als Labyrinth unterschiedlichster Innenräume.Seitdem hat Hertzberger mehr als drei Dutzend Gebäude geplant und gebaut, darunter in Tel Aviv, Tokyo und Dänemark.Er gilt als prominentester holländischer Architekt zwischen dem Architekten-Ur-Vater Aldo van Eyck und dem jüngeren Rem Koolhaas.In den letzten Jahren hat sich Hertzbergers Arbeit sehr verändert, ist auf Kosten einer "Handschrift" freier und weniger formalistisch geworden.Eine liebevoll gestaltete Ausstellung über seine neuesten Werke wurde jetzt im Deutschen Architektur Zentrum eröffnet.In vom Architekten entworfenen Boxen findet sich eine kleine Werkschau zu den Themen Schule, Stadt, Theater und Büro.Die Präsentation ist sehr eigen, aber nicht penetrant.Die Container sind zwar wie Flügelaltäre aufklappbar, aber die Präsentation ist dennoch unpathetisch.

Zur Vernissage erläuterte Hertzberger auf sympathisch-heitere Art, anhand eines streichholzschachtelgroßen Modells, wie sich aus zwei gleichen Sperrholz / Aluminium-Elementen die vier unterschiedlichen "Koffer" formen lassen.Die Werkschau, die "nur eine Steckdose braucht", wird von der Berliner Premiere aus nach Südamerika und Asien weiterreisen.Passend zur nomadischen Ausstellung erschien eine kostenlose Zeitung namens "Articulations" als Katalog.Die Schau ist die erste Zusammenarbeit mit dem Niederländischen Architektur Institut NAi in Rotterdam.

Wichtiger als das Ausstellungsdesign ist natürlich der Inhalt der Koffer.Neben älteren Projekten werden Hertzbergers Arbeiten seit Beginn der neunziger Jahre vorgestellt.Die für ihn so zentralen Skizzen erlauben einen Einblick in den Schaffensprozeß.Das NAi gibt zusätzlich parallel zur Ausstellung den Titel "Notations", ein Skizzenbuch Hertzbergers, heraus.

Hertzberger ist in Berlin kein Unbekannter.Der Wohnhof in der Kreuzberger Lindenstraße von 1984-86 gilt als eines der gelungensten Beispiele für den Wohnungsbau im Rahmen der IBA, dafür erhielt er den Berliner Architekturpreis.Sein mit dem 1.Preis ausgezeichneter Entwurf für das Filmhaus Esplanade am Potsdamer Platz von 1985 blieb hingegen Papier.Mit dem Masterplan für die Rummelsburger Bucht und einigen Wohnungsbauten auf der Stralauer Halbinsel konnte Hertzberger auch nach der Wende auf das Berliner Baugeschehen Einfluß nehmen.

Hertzbergers eigene Einschätzung, die Ausstellung zeige nur "alte Kuchen, aber sehr schön präsentiert", ist getrost dem niederländischen Understatement zuzurechnen.Denn seinen Vortrag schloß Hertzberger so: "Ich weiß nicht, ob Holland die WM gewinnt, aber in der Architektur haben wir eine sehr gute Mannschaft."

Deutsches Architektur Zentrum, Köpenicker Straße 48/49: bis 22.August.

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