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Kultur: Alte Meister

Hermann Rudolph über die Spur des Utopischen in der Architektur Architekten bauen. Architekten zeichnen.

Hermann Rudolph über die Spur

des Utopischen in der Architektur

Architekten bauen. Architekten zeichnen. Die Bauten bleiben, meistens. Die Zeichnungen wandern in die Ablagen, manchmal in die Archive, kaum je in Ausstellungen. Sie sind Mittel zum Zweck, Pläne, Entwürfe, das Vorläufige. Oder mehr? Setzt man sich den fast vierhundert Architekturzeichnungen aus, die seit rund zwei Monaten im Alten Museum in Berlin ausgestellt sind, so gerät man in eine stummes Gespräch, das seine eigene Überredungskraft entwickelt. Der zarte und bestimmte Strich Schinkels, der die Fassade der Bauakademie ins Leben befördert, Erich Mendelsohns expressiver Schwung, in dem der sieghafte Auftritt des Neuen Bauens Gestalt gewinnt, oder ein merkwürdiges Dokument wie die in visionärem Dunst davonfliegende Skizze, mit der Scharoun 1950 den Marx-Engels-Platz und den Schlüterhof zusammenzuzwingen suchte – es ist Architektur, Architekturgeschichte, aber sozusagen in einem anderen Aggregatzustand. Den Häusern und Palästen, Plätzen und Straßenfluchten geht die Stein-Schwere der gebauten Objekte ab, die Last, mit der das Verwirklichte die Fantasie fesselt. Hier ist alles noch ganz nahe am Gedachten und Gewollten, an Wille und Vorstellung, an Idee und Vision. Diese Zeichnungen bewahren etwas von dem Überschießenden, man könnte sagen: dem utopischen Element, das die Bauten inspirierte, die sie entwerfen. Oft genug schießen die Pläne ins Leere und vermehren den gewaltigen Friedhof des architektonisch Ungeborenen. Vieles führt in Sackgassen, manches in die Zukunft.

Still ist es in den Räumen des Schinkel-Baus. Um so stärker sprechen die Blätter an den Wänden, altmeisterlich ziseliert die einen, genialisch hingeworfen andere, immer mit der Magie des Authentischen. „Die Hand des Architekten“ heißt die Ausstellung. Ist es der Geist der Architektur, der hier flüstert? Aber die Hand des Architekten hat Wirklichkeit im Sinn, das Gebäude, das Haus, die Stadt. Ein Stück Baugeschichte Berlins ist die Ausstellung deshalb auch, denn ihr Feld sind in erster Linie die fünf Kernbezirke der Stadt, vom Pariser Platz bis Mitte. Aus ihren Architekturarchiven ersteht in Entwürfen und Planungen diese Geschichte, die geschehene und jene, die sich nicht ereignete – oder uns erspart blieb. Mit der Ausstellung – Endmoräne des Architektur-Weltkongresses vom Juli – meldet sich der im Vorjahr gegründete Verein zur Wiederherstellung der Bauakademie zu Wort. – Übrigens ist es ein bisschen zu still in den Räumen. Berlin hat nicht entdeckt, was für eine einzigartige Ausstellung hier gezeigt wird. Bis zum Sonntag ist noch Zeit, sich davon zu überzeugen.

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