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Kultur: Alter Schwede

Joseph Martin Kraus’ „Proserpin“ in Sanssouci.

„Lieber, daß ich um meinen Unterhalt krichen und Despoten Füse leken soll“ schrieb Joseph Martin Kraus 1777 an seine Eltern im Odenwald „lieber will ich darben“. Eine Haltung, mit der selbst ein musikalisches Genie nicht so leicht Hofkapellmeister wird. In Schweden fand Kraus in König Gustav III. dann doch einen leidlich aufgeklärten Monarchen, der den Mut hatte, den Sturm-und-Drang-Anhänger einzustellen. Bei den Musikfestspielen Sanssouci war nun das Ergebnis derZusammenarbeit zwischen dem als Librettist tätigen König, seinem Hofdichter Johan Henrik Kellgren und Kraus zu erleben: Proserpin, eine Oper, mit der sich Kraus 1781 die Festanstellung sicherte.

An der überragenden Qualität der Musik, die als Fortschreibung der Gluck-Tradition auch im Vergleich zum „Idomeneo“ des gleichaltrigen Mozart bestehen kann, lassen die Barokksolistene und die Choristen des Ensemble Syd unter der Leitung von Olof Boman keine Zweifel aufkommen: Die formalen Brüche, die eigene, von Chromatik und Trugschlüssen durchsetzte Harmonik, die düsteren Trauerchöre, die farbenreichen Naturschilderungen bewältigt das Ensemble im Schlosstheater mit Feuer und Präzision.

Elisabeth Linton (Regie) und Herbert Muraurer (Ausstattung) haben es schwerer: Während Kraus extreme Leidenschaften glaubwürdig, aber auch provokativ darstellen wollte, dürften den König auch die politischen Implikationen des Stoffes gereizt haben. Im Streit der Götter Ceres und Pluto sowie des Sterblichen Atis um Proserpin und im endlichen Kompromiss spiegelt sich propagandistisch Gustavs aufgeklärter Absolutismus. Der gute Ansatz, die Geschichte als großbürgerliches Familiendrama zu schildern, wird nicht zu Ende gedacht. Wenn Linton Atis’ Selbstmorddrohung veralbert, obwohl gerade er, als Identifikationsfigur der Sturm- und-Drang-Generation, Kraus’ Verzweiflung über die gesellschaftliche Realität artikuliert, raubt sie dem Stück Schärfe – und bringt Joachim Bäckström (neben Isa Katharina Gericke als Cyane der überzeugendste Sänger) um einen bewegenden Auftritt. Carsten Niemann

noch einmal am 23. Juni

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