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Kultur: Alzheimer: Warten auf den Impfstoff

Offiziell taucht der erste Fall Anfang des letzten Jahrhunderts auf. Damals untersucht der Arzt Alois Alzheimer die Eisenbahnkanzlistenfrau Auguste D.

Offiziell taucht der erste Fall Anfang des letzten Jahrhunderts auf. Damals untersucht der Arzt Alois Alzheimer die Eisenbahnkanzlistenfrau Auguste D., die Ende 1901 in Frankfurt in die Städtische Anstalt für Irre und Epileptiker eingewiesen wird. Fast fünf Jahre später stirbt die Frau. Alzheimer seziert ihr Hirn, färbt die Schnitte und legt sie unter sein Mikroskop. Was ihm auffällt, sind eigenartige, "hirsekorngroße Herdchen" im Hirn seiner verstorbenen Patientin.

Hundert Jahre nach diesem Fall ist Alzheimer zur Volkskrankheit geworden. Allein in Deutschland leben heute rund eine Million Betroffene. Und wie sich inzwischen herausstellt, hatte Alzheimer mit den "hirsekorngroßen Herdchen" den Nagel auf den Kopf getroffen. Immer mehr gelangen Forscher zur Überzeugung, dass es diese Herdchen sind, die die fatale Hirnkrankheit auslösen.

Bei den Herdchen handelt es sich um Ansammlungen eines bestimmten Eiweißes, das "Beta-Amyloid". Wie molekularer Müll lagert es sich im Laufe des Lebens in und um die Nervenzellen und zerstört sie.

Was Eiweiß im Hirn anrichtet

Beta-Amyloid entsteht als Abbauprodukt von einem sehr wichtigen Eiweiß, das im Hirn dafür zuständig ist, die Funktion der Nervenzellkontakte, der Synapsen, zu kontrollieren. Bei Schädigungen an diesen Synapsen greift das Eiweiß reparierend ein. Sobald die Reparatur erledigt ist, wird es abgebaut - und da entsteht das Problem.

Im Normalfall werden beim Abbau des Eiweißes lösliche Spaltprodukte gebildet, die für das Hirn keine Gefahr darstellen. Manchmal aber bildet sich durch ein fehlerhaftes Zerschneiden des Eiweißes das unlösliche Beta-Amyloid, das sich zu den "senilen Plaques" ansammelt und die Hirnzellen zerstört. Jene Hirnzellen, die unser Ich bilden - unsere Wahrnehmung, unser Gedächtnis, unsere Persönlichkeit.

Erstes Ziel für Forscher ist es deshalb, herauszufinden, was die Bildung von Beta-Amyloid begünstigt - und wie man es bekämpfen kann. Eine therapeutische Strategie führt über den Blutfettstoff Cholesterin. Zellen stellen nämlich die Produktion von Beta-Amyloid weitgehend ein, sobald ihnen das Cholesterin entzogen wird. Im Einklang damit steht eine kürzlich erschienene Studie im Fachblatt "British Medical Journal": Erhöhte Cholesterinwerte und Bluthochdruck in mittleren Jahren führen zu einem deutlich größerem Risiko, später an Alzheimer zu erkranken. Cholesterinsenker wären also eine Möglichkeit, Alzheimer zu bekämpfen. Solche Medikamente werden derzeit auch geprüft, für die Alzheimer-Therapie aber stehen sie noch nicht zur Verfügung.

Versuche mit Mäusen

Forscher arbeiten aber daran, das Beta-Amyloid direkt zu attackieren, beispielsweise mit Hilfe von Antikörpern, die sich gezielt gegen das Beta-Amyloid richten - wie Miniaturmüllmänner im Hirn. Anfang des Jahres konnten Wissenschaftler nachweisen, dass Antikörper tatsächlich im Stande sind, Beta-Amyloid zu zerstören. Zumindest im Mäusehirn war der Großteil des Plaques schon nach drei bis acht Tagen Antikörperbehandlung verschwunden.

Seit neuestem knüpfen sich deshalb auch große Hoffnungen an eine Alzheimer-Impfung, bei der ebenfalls Antikörper gegen das Beta-Amyloid gebildet werden. Wieder funktioniert die Therapie bereits bei Mäusen: Gentechnisch hergestellte "Alzheimer-Mäuse" produzieren nach einer Impfung nicht nur weitaus weniger und kleinere Plaques im Hirn. Sie schneiden auch bei Gedächtnisaufgaben besser ab und finden eine versteckte Plattform, die sie schwimmend suchen müssen, häufiger als Mäuse ohne Impfung. Das mag zwar ermutigen - doch der Weg von der Maus zum Menschen kann lang sein.

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