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Kultur: Am anderen Ende

Der Salzburger Galerist Thaddaeus Ropac hat eine gigantische Dependance vor den Toren von Paris eröffnet / Ein Gespräch über wachsende Konkurrenz und künftige Märkte.

Die Pariser Kunstszene verändert sich rasant. Eine neue Generation von Galeristen ballt sich im Marais- und Belleville-Viertel. Renommierte Galerien wie Emmanuel Perrotin vergrößern ihre Räume im Zentrum oder ziehen ins Pariser Randgebiet. Paradebeispiel ist der österreichische Top-Galerist Thaddaeus Ropac (52). Auf einem ehemaligen Fabrikgelände in der Pariser Vorstadt Pantin errichtete der gebürtige Kärntner eine riesige Dependance von 4700 Quadratmetern (www. ropacpantin.com) und zeigt dort Anselm Kiefers neueste monumentale Werkgruppe „Die Ungeborenen“ sowie Arbeiten von Joseph Beuys’ Performance „Iphigenie“ von 1969.

Was hat Sie in die öde Vorstadt Pantin nordöstlich von Paris gebracht, wo weit und breit keine Galerie ist?

Thaddaeus Ropac: In der City gibt es keinen Platz mehr für einen Komplex dieser Größenordnung. Wir haben immerhin vier Ausstellungshallen von 2000 Quadratmetern mit bis zu zwölf Metern Höhe. Sie sind gewissermaßen zugeschnitten auf Anselm Kiefers Bilder. In unserem Gebäude für Multimedia-Projekte haben wichtige Objekte der Beuys-Performance „Iphigenie“ wie etwa das Paar Zimbel, Manuskripte, Zeichnungen, Collagen, Aktionsfotos und Vitrinen.

Pantin ist sehr lebendig und hat seinen Platz in der Pariser Kulturszene. Das Centre National de la Danse mit seinen modernen Tanzstudios und der gerade eingeweihten Kinemathek für Tanzfilme liegt in der Nähe. Ebenso der größte Pariser Kulturpark La Villette mit der angrenzenden Cité de la Musique. Mit Pierre Boulez, dem Gründer des Ensemble Intercontemporain, und seinem künftigen Nachfolger, dem deutschen Komponisten Matthias Pintscher, arbeiten wir bereits zusammen.

Das Crossover von Kunst und Musik hat Zukunft?

Die Auseinandersetzung mit verschiedenen kulturellen Gattungen ist ja immer sehr spannend. Der chinesisch- amerikanische Performance-Artist Terence Koh, den wir vertreten, wird 2013 eine Oper für unseren Performance-Multimedia- Space kreieren. Diese Art von Synergien bedeuten eine neue, große Herausforderung für mich.

Mit der Konkurrenz wachsen Ihre Ambitionen? Kein Zufall ist es wohl, dass zeitgleich der kalifornische Galerist Larry Gagosian eine Megakunsthalle, einen neu konzipierten Hangar von Jean Nouvel im nördlichen Bourget von Paris eröffnete, direkt am privaten Jetset-Flugplatz?

Natürlich bedeutet die Präsenz von Gagosians Zweitgalerie Konkurrenz. Aber die Pariser Kunstszene profitiert davon. Paris stand zu lange im Schatten von New York und London. Ich nehme das sehr positiv auf.

Auch, dass Gagosian, der immerhin zwölf Galerien von New York bis Hongkong besitzt, zur selben Zeit wie Sie Anselm Kiefer ausstellt?

Das möchte ich nicht weiter kommentieren. Nur soviel: Kiefer arbeitet auch mit Gagosian zusammen. Gagosian vertritt den amerikanischen Markt, wir sind in Europa sehr aktiv. Im übrigen haben wir die neuen Räume lange vor Gagosians Projekt vor zwei Jahren geplant.

Die Messlatte wird immer höher, weil monumentale Kunst den Markt bestimmt?

Viele neue Museen der Gegenwartskunst besonders auch in China, Südkorea, Indien und Brasilien entstehen und bieten enormen Freiraum für Gegenwartskunst.

Wer kauft solche Megawerke?

Wir bemühen uns zunächst, unsere Künstler wichtigen und besten Museen vorzustellen, gar nicht mal zuerst großen Sammlern. Dafür sind wir bekannt, und die Künstler sind darüber sehr glücklich. Bekanntlich geht es auf dem Kunstmarkt um scharfe Preiskalkulation, ums knallharte Geschäft, um exorbitante Summen, die der Spekulationsmarkt hochtreibt. Können Sie heute nach 30 Jahren Galeristendasein zwischen Ihrer Passion zu den Künstlern und dem Kapitalmarkt konfliktlos trennen?

Wir warten ja nicht zehn Jahre, bis ein Bildwert steigt. Wir bieten ein Kunstwerk an, wenn es vom Künstler direkt zu uns kommt. Und da halten wir uns an die Basispreise des Primärmarkts. Der spekulative Sekundärmarkt, der von Auktionshäusern, von Investoren oder von Art Fonds betrieben wird, sitzt am anderen Ende des Tisches. Das interessiert uns nicht. Wir achten eher darauf, dass ein Werk nicht zu teuer wird, damit es sich ein Museum auch leisten kann.

Sehen Sie das so gelassen?

Wir helfen Künstlern soweit wir können. Bei der Gormley-Ausstellung „Horizon Field Hamburg“ für die Deichtorhallen in diesem Jahr, die wir angeregt hatten, sind wir im letzten Moment finanziell eingesprungen, damit Gormley sein Projekt realisieren konnte.

Gehört es zu Ihren Erfolgsstrategien, mit namhaften Künstlern Ihre Klientel auf Ihre Newcomer neugierig zu machen?

Wenn wir das nicht täten, wäre unsere Galerie bald tot.

Welcher Ihrer jungen Künstler ist denn am meisten gefragt?

Von den jungen Künstlern bekommt Ali Banisadr derzeit die größte Aufmerksamkeit, ein gebürtiger Iraner, der in New York lebt. Vor zwei Jahren entdeckten wir ihn in einer kleinen New Yorker Ausstellung. Inzwischen bemühen sich große Museen um ihn, wie das Metropolitan Museum in Los Angeles. Bei einer Christie's-Auktion kürzlich in Dubai wurde ein kleines Bild von Ali Banisadr für 100 000 Euro ersteigert, das ursprünglich 20 000 Euro gekostet hatte.

Zurück zu Anselm Kiefer und Joseph Beuys. Was war der Grund, gerade mit ihrenWerken die Pantin-Galerie zu eröffnen?

Ich hätte mir nichts Besseres wünschen können. Kiefers Großformate inspirierten mich, in neuen Dimensionen zu denken. Und Beuys hat mich schon in meiner Jugend fasziniert. Als ich Praktikant bei Beuys in Düsseldorf werden durfte und ihn während seiner Installation „Hirschdenkmäler“ von 1982 in der legendären „Zeitgeist“-Ausstellung im Berliner Martin- Gropius-Bau bei seiner Aktionsarbeit hautnah erlebte, ließ mich das nicht mehr los. Ich wurde sein großer Bewunderer. Auf der „Zeitgeist“-Ausstellung vom Kurator Norman Rosenthal erlebte ich auch Andy Warhol, Georg Baselitz und Anselm Kiefer. Ich beschloss, Galerist zu werden.

Ist das so einfach?

Ursprünglich wollte ich Künstler werden. Aber ich verstand, dass mein Talent nie an einen dieser Künstler nur annähernd heran reichte. Ich flog mit einem Empfehlungsschreiben von Beuys, das an Andy Warhol gerichtet war, im selben Jahr noch nach New York. Ich wollte Warhol unbedingt kennenlernen. Und Warhol riet mir, mich mit Künstlern meines Alters zu beschäftigen. Er führte mich zu Jean Michel Basquiat, Keith Haring und Robert Mapplethorpe. Die waren wie ich gerade mal Anfang zwanzig.

1983 eröffneten Sie Ihre erste Galerie in Salzburg...

... ja, die war winzig. Ich zeigte Werke von Beuys, die er mir versprochen hatte, und von Warhol. Dazu Bilder von Haring und Fotos von Mapplethorpe. Und natürlich zeigte ich Zeichnungen von Basquiat, die er mir anvertraut hatte.

Heute besitzen Sie vier Galerien. Zwei in Salzburg, zwei im Pariser Raum und ein Office in New York. Wie hatten Sie es geschafft, den Pariser Galeristen das Wasser zu reichen?

Ein Schritt kam zum anderen. Mit Georg Baselitz und Robert Longo hatte ich ja schon in Salzburg gearbeitet und mit Kiefer Ende der 90er-Jahre. Doch Respekt und Ansehen verschaffte ich mir durch eine Ausstellung über Blinky Palermo.

Was führte Sie 1990 nach Paris? Seit den 50er-Jahren befand sich die Metropole doch in tiefer Lethargie.

Warum nicht Paris? Paris war für mich immer die Kunst- und Kulturstadt Europas, obwohl London damals aus der Asche stieg. Keine andere europäische Stadt hat so ein starkes kulturelles und

kunsthisorisches Rückgrat.

Hat der französische Kunstmarkt nun den Metropolen New York und London den Rang abgelaufen?

Nein, die sind immer noch nach China Vorreiter. Paris muss sich weiter behaupten. Aber das ist für mich nur eine Frage der Zeit. Es gibt neue Absatzmärkte: eine Generation von Sammlern, junge Industrielle oder Leute aus der Modebranche wie Hedi Slimane oder der Designer Haider Ackermann. Und es gibt eine neue Generation französischer Künstler. Wie Xavier Veilhan, Jules de Balincourt, Fabrice Hyber oder Adel Abdessmed, der gerade seine Retrospektive im Centre Pompidou feiert. Kein Wunder, dass immer mehr Galerien und internationale Sammler nach Paris kommen

Und weshalb zieht es internationale Künstler nach Paris?

Da gibt es einen wunderbaren Spruch: „Paris will always be Paris“. Paris bietet eine fantastische Mischung vieler Nationen und verschiedenster Kulturen. Alle kommen gern in die Metropole, Künstler aus Russland, Asien, China. Paris ist eine offene Stadt. Ich glaube an die Zukunft von Paris, auch wenn ich weltweit über die europäischen Grenzen meine Fühler ausstrecke, nach Hongkong, Peking. Auch der mittlere Orient wird immer wichtiger.

Interview: Sigrid von Fischern

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