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Kultur: Am Katzentisch der Politik

Wem dient die Architektur? In Berlin diskutiert ein Symposium über die Zukunft der „Topographie des Terrors“

Der Streit um einen künftigen Neubau auf dem Gelände der Topographie des Terrors tritt in seine konstruktive Phase ein. Nachdem Anfang des Jahres Reinhard Rürup, der wissenschaftliche Direktor der Topographie-Stiftung, aus Protest über den jahrelangen Stillstand bei Berlins vielleicht anspruchsvollstem Erinnerungsprojekt zurückgetreten war, nachdem sich Ende Mai Bund und Land als Träger in einem Befreiungsschlag von ihrem Architekten Peter Zumthor getrennt hatten, geht es nun um eine nüchterne Bestandsaufnahme. Gestern lud die Stiftung Politiker, Experten und das engagierte Publikum zu einem Symposium in den Lichthof des Martin-Gropius-Baus. Die Erwartungen waren gewaltig, die Stimmung blieb erstaunlich gelassen.

Wie selbstbewusst darf ein Neuanfang auf dem seit dem Baustopp im Frühjahr 2000 brachliegenden Grundstück der ehemaligen Terrorzentrale des NS-Regimes aussehen? Wie geht es weiter, wenn noch in diesem Jahr die drei Treppentürme des Zumthor-Baus abgerissen werden? Wie kann die Auswahl eines neuen Entwurfs glücken, ohne geltendes Wettbewerbsrecht zu verletzen und ohne andererseits zu viel Zeit zu verlieren? Und schließlich: Wer sorgt für die zügige Realisierung des Baus, ohne die Anforderungen der Nutzer aus den Augen zu verlieren?

Das Debakel um die Topographie trifft vor allem die Berliner Bauverwaltung, die starr an Zumthors Stabwerkkonstruktion festhielt. Doch auch die Stiftung hielt zu lange still. So war es nur folgerichtig, dass im Mai ein durch explodierende Baukosten und Missachtung der Nutzerinteressen unmöglich gewordenes Bauprojekt gestoppt wurde. Und es ist ebenso klug, dass nun die Frage der Bauherrenschaft neu aufgeworfen worden ist. Zur Erinnerung: Kulturstaatsministerin Christina Weiss, Berlins neue Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer und Kultursenator Thomas Flierl vereinbarten, dass die Bauherrenschaft des mit 38,8 Millionen Euro zu gleichen Teilen von Bund und Land zu finanzierenden Projekts künftig vom Bund wahrgenommen werden soll. Und das, obwohl Stiftungsdirektor Andreas Nachama gefordert hatte, als Bauherr in eigener Sache nicht mehr am Katzentisch der Politik sitzen zu müssen.

Bei seiner Begrüßung relativiert Knut Nevermann, der Weiss vertritt, allerdings Nachamas Erwartungen: Der Bund beharre auf seiner Verantwortung, „doch es wird nichts mehr gegen den Willen der Stiftung als künftigem Nutzer gebaut“. Ein überfälliges Bekenntnis, das auch die Senatsvertreter – Senatorin Junge-Reyer und Kulturstaatssekretärin Barbara Kisseler – bekräftigen. Man demonstriert Einigkeit: Einfach den beim Wettbewerb von 1993 zweitplatzierten Entwurf des Berliner Büros Müller/Reimann zu realisieren, wie es die Berliner CDU vorschlug, sei nicht möglich. Zu stark habe sich das städtebauliche Umfeld gewandelt, ebenso die räumlichen Anforderungen künftiger Stiftungsarbeit.

Also wieder alle Möglichkeiten offen? Dagegen spricht schon der selbstverordnete Zeitdruck. Seit über zwei Jahrzehnten fahnden engagierte Bürger nach baulichen Überresten des NS-Terrors. Zur 750-Jahr-Feier Berlins eröffnete der erste Ausstellungspavillon: ein Provisorium, das sich einige zurückwünschen. Nun soll es schnell gehen – vielleicht zu schnell. 2006, so Nevermann, sei mit einem erneuten Baubeginn zu rechnen.

Und noch eine Nachricht, die aufhorchen lässt: Man wolle sich nicht an „fiktiven Haushaltsresten“ orientieren – gemeint ist der Rest der gedeckelten Bausumme von etwa 23 Millionen Euro –, sondern an den tatsächlichen Nutzungsanforderungen. Es bleibt die Quadratur des Kreises: mit einer dienenden Architektur, einem „undekorierten Schuppen“ den Lern- und Gedenkort zum Sprechen bringen. Ganz sicher ist man sich nur darüber, was man nicht will. Andreas Nachama sagt es so: „Indem man hier Staat macht, macht man alles falsch: Das Ergebnis ist vor der Tür zu besichtigen.“

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