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Kultur: Amerika für Anfänger

Kathrin Rögglas USA-Stück in den Berliner Sophiensälen

Von Peter Laudenbach

Niedliche Papphäuser stehen auf der Bühne der Sophiensäle, Karton-Kästchen, deren Insassen sich kleine Löcher in die Dächer sägen. Harmlos und bemüht lustig beginnt Barbara Webers Inszenierung mit dem umständlichen Titel in modernistischer Kleinschreibung: „die 50 mal besseren amerikaner“. Die fünfzig mal besseren Amerikaner sind logischerweise die Deutschen: Effizienter, fleißiger, technikbegeisterter, fernsehsüchtiger – und leider auch, wie das Bühnenbild unmissverständlich nahe legt, noch ein bisschen infantiler als die mit Schauer und Bewunderung bestaunten Amis. Doch die kindgerechte Bühnenlandschaft (Tjorg Beer) sollte nicht über das ernste Thema des Abends hinwegtäuschen: Es geht um Hysterie und Panikschübe, um das aufgeregte Dauer-Delirium der Nachrichtensender und, nur keine falsche Bescheidenheit, um nichts weniger als den 11. September.

Kathrin Röggla, die Autorin der Textvorlage, ist eine kluge Schriftstellerin, die in ihren besten literarischen Texten die Sprache raffiniert verdichtet. Sie war am 11. September in New York. Unmittelbar nach dem Anschlag hat sie für die „taz“ von den mentalen Folgen des Terroranschlags, den Trauma-Zuständen und Hysterisierungen in New York berichtet, eine empfindliche Mentalitäts-Recherche in Echtzeit. Diese Texte hat sie später zu einem beeindruckenden Prosaband verarbeitet („really ground zero“, S.Fischer Verlag). Der Berliner Aufführung liegt eine weitere Bearbeitung des Stoffes zugrunde: seine schwächste und diffuseste Variante.

Nachdem sich die vier Darsteller (Silvina Buchbauer, Wiebke Mauss, Franziska Olm, Philipp Stengele) aus den Kinderzimmer-Häuschen herausgekämpft haben, werfen sie sich gereizte Satzbrocken an den Kopf, die ahnen lassen, dass es mit der Reflektion des Schreckens noch ein wenig hapert. „Aber sie wisse ja auch nicht, ob sie wirklich Angst gehabt habe, bzw. sie habe eben nicht gewusst, ob sie Angst haben hätte sollen oder nicht,“ plappert eine Figur von sich selbst in der dritten Person. Eine andere variiert noch einmal ein beliebtes Klischee aus dem Standardarsenal medienkritischer Phrasen, was auch durch das Spiel mit dem falschen Personalpronomen und der indirekten Rede nicht ergiebiger wird: „Und sie, sie wisse jetzt oftmals nicht, ob sie etwas mit eigenen Augen gesehen habe oder nicht: Sie sage jetzt mal, das sei für sie nicht mehr feststellbar.“ Simulation, ick hör dir trapsen. Später geht es dann noch darum, dass Fernsehmoderatoren auch im Augenblick der Katastrophe eben nur Fernsehmoderatoren sind, um die Frage, ob man sich unmittelbar nach einem Terroranschlag lieber betrinken soll oder nicht und darum, „wer in der ersten Reihe der Schweigeminute stehen darf“.

Das postdramatische Geplapper, das ohne Rollen, Figuren oder Handlung auskommt, wird szenisch von allerhand Schabernack untermalt. Aber am liebsten stehen die vier Darsteller nebeneinander an der Rampe und sprechen ihre Sätze ins Publikum: theatralischer Frontalunterricht. Schließlich werden auch noch Photos von Bush und Reagan neben Bildern eines McDonald’s-Hamburgers an einer Wäscheleine aufgehängt. Womit bewiesen wäre, dass klischeeseliger Anti-Amerikanismus notfalls auch ohne Worte auskommt.

Weitere Aufführungen vom 17. bis 21. April

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