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Kultur: Anfall im Zeitungsladen Meine liebste Jazzplatte Von Wiglaf Droste

Vor vierzig Jahren gründete Joachim Ernst Behrendt die Berliner Jazztage, das heutige „JazzFest“. Es ist eines der ältesten seiner Art und war über viele Jahre auch das wichtigste, bei dem sich die Stars des modernen Jazz immer wieder neu positionierten.

Vor vierzig Jahren gründete Joachim Ernst Behrendt die Berliner Jazztage, das heutige „JazzFest“. Es ist eines der ältesten seiner Art und war über viele Jahre auch das wichtigste, bei dem sich die Stars des modernen Jazz immer wieder neu positionierten. Wir haben sechs Autoren nach ihren liebsten Jazzplatten aus diesen vier Dezennien gefragt. Hier die vierte Folge.

Miles Davis covert Cindy Laupers „Time After Time“ in „You’re Under Arrest“ (1985) : Die beste Trompete von allen nimmt ein ohnehin nahezu unirdisches Stück mit in die höchsten Höhen, legt jeden Ton bloß und zeigt ihn in nackter, fast unerträglicher Schönheit. Man hört das und vergisst es nie wieder. Zum ersten Mal fiel mich „Time After Time“ von Miles Davis in einem Berliner Tabakladen an. Zeitung und Zigaretten wollte ich kaufen, da bröckelte die Trompete aus dem Radio. Die Brustspitzen reckten sich freudig der Musik entgegen, das Herz stand fast still vor süßester Aufregung. Den unverwechselbaren Klang dieser Trompete kannte und liebte ich, wie ich das Lied kannte und liebte – aber erst die Kombination von beidem entflocht alle Knoten, die man mir ums Herz geschnürt hatte. „Time after Time“ kann darüberhinaus auch Drachen entwaffnen. John Scofield, Vorbild aller jazzgitarristischen Knispelköpfe, der den Rest der CD zufriemelt und volldröhnt mit gitarrismusbedingter Taubheit, musste sich dem Zauber von „Time After Time“ und dem Befehl von Miles Davis fügen. Niemals zuvor und niemals nachher spielte Scofield so vorbildlich wenig Gitarre wie in „Time after Time“.

Wiglaf Droste ist Schriftsteller, Satiriker, leidenschaftlicher Koch und Sänger, was er in Begleitung des Spardosen-Terzetts gerne vorführt. Zuletzt erschien von ihm „Das Konzert“ bei Antje Kunstmann.

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