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Monopolist: Amazon beherrscht den Markt für E-Books

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Angriff auf den Marktriesen: Log.os - eine Alternative zu Amazon?

Die Plattform Log.os will sich gegen die Marktmacht von Amazon stemmen – mit einer Mischung aus Universalbibliothek, Marktplatz und sozialem Netzwerk. Mehr als eine tolle Idee?

Die nächste digitale Revolution kommt nicht aus Silicon Valley und auch nicht aus Berlin-Mitte. Sie kommt aus Kleinmachnow. Dort nämlich sitzt der Förderverein von Log.os, genauer gesagt: dort wohnt einer der Gründer des Vereins. Noch gibt es kein Büro, kein Geld, keine Angestellten. Aber es gibt einen Briefkasten. Und zwölf überzeugte Idealisten, die nichts weniger wollen als dem Marktführer Amazon das E-Book-Geschäft abjagen. Elektronische Bücher sollen nicht länger auf den Servern kommerzieller Anbieter liegen, die auch noch systematisch ihre Nutzer ausspähen. Die Hoheit über Kulturgüter und Daten muss zurückerobert werden. Nur – wie soll das gehen?

Log.os ist bislang nur eine Vision. Noch dazu eine ziemlich hochtrabende. „Am Anfang war das Wort. Jetzt kommt das Betriebssystem“, steht auf der dünnen Werbebroschüre, mit der das Log.os-Team bei einer Konferenz in der Akademie der Künste sein Konzept der Öffentlichkeit vorgestellt hat. Log.os soll – ganz grob – eine Mischung werden aus Universalbibliothek, Marktplatz und sozialem Netzwerk. Ein Paralleluniversum zu Amazon, angereichert um viele tolle Zusatzfunktionen. Ein Ort, an dem Lesende, Verlage, Buchhändler, Stadtbüchereien, Autoren, Schulklassen oder Universitäten zusammenkommen. An dem sie lesen, kaufen, ausleihen, speichern, publizieren, diskutieren, kommentieren und studieren – all das soll auf Log.os möglich sein. Eine eierlegende Wollmilchsau-Plattform der E-Book-Branche sozusagen. Nur dass der Besitzer dieser Sau kein Geld verdienen will.

Denn das ist der Clou: Log.os ist gemeinnützig. Nicht zu verwechseln allerdings mit einer Gemeinnützigkeit wie der von Wikipedia, auf der keine Werbung geschaltet wird und keine Umsätze erzielt werden. Auf Log.os sollen durchaus Geschäfte gemacht werden, zwischen Verlagen und Buchhändlern genauso wie zwischen Buchhändlern und Endkunden. Bücher sollen verliehen und verkauft werden. Und Log.os soll selbstverständlich an jeder Transaktion mit einer kleinen Provision beteiligt sein. Der Unterschied zu anderen Anbietern: Die Plattform selbst wird dabei keinerlei Gewinnmaximierungsstrategie verfolgen. Auch will sie ausdrücklich niemanden aus der Wertschöpfungskette rund um das Buch verdrängen.

Die Gründer sind keine Spinner, sondern ausgewiesene Digitalexperten

Klingt großartig. Aber wer soll in diese Firma investieren, wer die Verlage und Bibliotheken überzeugen, wer die Plattformentwicklung bezahlen, wer die Einhaltung der hehren Unternehmensphilosophie im konkreten Alltag überwachen? Die Gründungsmitglieder sind keine naiven Spinner, sondern ausgewiesene Digitalexperten. Viele von ihnen arbeiten bei Verlagen und Agenturen, haben Erfahrungen mit Start-ups und kennen sich mit dem Publizieren von Büchern genauso aus wie mit dem Programmieren von Webseiten.

Volker Oppmann, der Log.os maßgeblich vorangetrieben hat, kommt aus der E-Book-Branche. 2008 hat er die Firma Textunes gegründet, die im Auftrag von Verlagen E-Books für Smartphones und Tablets aufbereitet und heute zur Thalia- Gruppe gehört. Außerdem hat der 38-Jährige Erfahrung als Verleger, mit „Onkel&Onkel“ betreibt er einen kleinen unabhängigen Berliner Verlag. Zusammen mit Katja Splichal, Susann Bindermann, Marcel Diehl und anderen hat Oppmann in den letzten Monaten an dem komplexen Konstrukt gefeilt. Eine gigantische Datenbank macht das Herzstück von Log.os aus, hier lagern die Kataloge und Texte mitsamt aller Metadaten, außerdem die Nutzerprofile mit ihren Transaktions- und Interaktionsverläufen. Eine gemeinsame technische Infrastruktur, die sich allerdings nach außen in sechs unterschiedlichen Oberflächen darstellt. Der Zugang für Bibliotheken unterscheidet sich von dem für Verlage; Leser bekommen andere Zugriffsrechte als Autoren; Studiengruppen können andere Tools nutzen als Stadtbüchereien. Für jede Nutzergruppe soll es maßgeschneiderte Services geben. Dazu kommen Social-Reading-Funktionen und eine Selfpublishing-Sparte. Man kann Empfehlungen posten, Chanels betreiben oder abonnieren, man kann kommentieren, editieren, interagieren. Reibungslos funktionieren und gut aussehen muss Log.os natürlich auch. Katja Splichal ist da realistisch: „Hässlich, aber gemeinnützig – das Argument zieht im Internet nicht.“

Die ganze Buchbranche steht unter der Fuchtel von Amazon

Monopolist: Amazon beherrscht den Markt für E-Books
Monopolist: Amazon beherrscht den Markt für E-Books

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Es braucht also Geld. Auf dem Kapitalmarkt kann Log.os sich nicht umsehen, für Investoren ist das gemeinnützige Modell nicht attraktiv. In den kommenden Monaten wird der Förderverein daher Anträge bei Stiftungen stellen, versuchen Drittmittel einzuwerben und Crowdfunding-Kampagnen starten. Sind 50 000 Euro zusammengekratzt, wird zunächst die Log.os-Stiftung ins Leben gerufen, in deren Satzung die grundlegenden Werte der Plattform wie Transparenz, Gemeinnützigkeit, Schutz der Privatsphäre und Datensouveränität verankert werden. Aus der Stiftung heraus erfolgt die Gründung der gGmbH, die die Webseite konkret entwickeln und betreiben wird. Ein nachträglicher Verkauf der GmbH – wie bei Start-ups oft üblich – ist nicht möglich, das Unternehmen soll eine hundertprozentige Tochter der Stiftung werden, niemand sonst kann sich Anteile sichern.

Bis die gesamte technische Architektur steht, werden noch einige Jahre vergehen. Das System wird nicht als Gesamtpaket fertiggestellt, sondern nach und nach vervollständigt. „Sonst würden wir in zehn Jahren noch theoretische Diskussionen über die genaue Umsetzung führen“, sagt Oppmann. Den Launch einer Betaversion hat sich Log.os schon für das Jahr 2015 vorgenommen. Rund eine halbe Million Euro werden für diese erste Projektphase benötigt, insgesamt rechnet das Team mit rund fünf Millionen Euro an Kosten für die Entwicklung der Plattform.

Am Ende werden die Nutzer den Ausschlag geben

Ein Teil davon soll von der Basis selbst kommen, von den vielen unzufriedenen E-Book-Kunden oder überzeugten Amazon-Boykotteuren. Dass es davon in Deutschland mittlerweile etliche gibt, davon ist Splichal überzeugt. In der Buchbranche jedenfalls sei die Stimmung eindeutig: „Alle stehen unter der Fuchtel von Amazon.“ Und alle hoffen auf Alternativen zu dem intransparenten amerikanischen Marktführer, der allen seine Konditionen diktiert und trotz gesetzlicher Regulierung immer höhere Rabatte von den Verlagen verlangt.

Die Macht des Netz-Monopolisten ist immens, Verhandlungen finden längst nicht mehr auf Augenhöhe statt. Umso größer die Sehnsucht nach neuen Playern. Wo Log.os in den letzten Monaten auch angeklopft hat, ob beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels oder bei der Frankfurter Buchmesse, überall stieß man auf offene Ohren und offene Türen.

Das gemeinsam gesungene Klagelied wird trotzdem nur marginal zum Erfolg von Log.os beitragen können. Den entscheidenden Ausschlag werden am Ende die Nutzer geben. Sind sie bereit, sich trotz vollgeladenem Kindle von der bisherigen Plattform abzuwenden und mit einem anderen E-Book-Anbieter den Neuanfang zu wagen? Zumal wenn dieser mit so altmodischen Begriffen wie „Gemeinwohl“ hausieren geht und anfangs nur partiell funktionstüchtig ist? In den kommenden Monaten will der Verein deshalb vor allem Multiplikatoren erreichen und potenzielle Nutzer anlocken. 200 Fördermitglieder hat Log.os schon, mehrere tausend Interessenten müssen es mindestens werden. Zündet der Funke nicht, bleibt Log.os, was es zurzeit noch ist: eine irre, schöne Idee.

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