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Kultur: Angriff ist die beste Verteidigung - Derjunge Dresdner Maler probt den Aufstand

Der junge Maler hat sich lieber gleich für die radikale Lösung entschieden. Er hat die grandiose Aussicht über die Brühlschen Terrassen zum anderen Ufer der Elbe verhängt.

Der junge Maler hat sich lieber gleich für die radikale Lösung entschieden. Er hat die grandiose Aussicht über die Brühlschen Terrassen zum anderen Ufer der Elbe verhängt. "Für mich war es notwendig, eine Stunde Null zu schaffen", erklärt er die brüske Geste freundlich. Das mag in diesen Tagen der Gedenkfeiern anläßlich der Zerstörung Dresdens zwar merkwürdig klingen, ist aber für einen soeben aus den Vereinigten Staaten zurückgekehrten Künstler nur zu verständlich, der die neuen Früchte seiner Arbeit in der Traditionshochburg Kunstakademie zeigen soll. Also hat Markus Richter den sogenannten Paradeblick weggesperrt und vor dem berühmten Panorama-Fenster, von dem schon Oskar Kokoschka seine großartigen Elb-Ansichten malte, Silberfolie befestigt.

Ein Affront? Hoffentlich. Denn schließlich hat die Hochschule für Bildende Künste ihren ersten Philip-Morris-Stipendiaten für ein Semester an die Columbia University in New York geschickt, damit endlich auch frischer Wind durch ihre gerade sanierten Räume zieht. "Dresdens Kunst belegt, dass die Anregungen von außen immer für entscheidende Impulse sorgten", schreibt offenherzig Hochschul-Rektor Ulrich Schießl im Vorwort des Katalogs. Dass ihr Malerei-Meisterschüler mit hölzernen "Billboards" und sogenannten "Inkjet-Prints" im Gepäck wieder zurückkehren würde, hat er sich vorher wahrscheinlich auch nicht vorgestellt. Dabei ist Markus Richter alles andere als ein Revoluzzer. Mit einer gewissen Trotzigkeit erklärt er, immer noch Maler zu sein, nur will er den Malerei-Diskurs anders führen.

Mit "Echo", seiner Abschluss-Ausstellung im Senatssaal der Kunst-Hochschule, gibt er eine starke Vorlage. Metergroß prangt ein Digitaldruck an der Wand, auf dem eine Figur mit einem schnurlosen Telefon in der einen, einem Küchenmesser in der anderen Hand abgebildet ist. Man könnte beinahe das Dilemma des jungen Künstlers in diesem Motiv ablesen: Soll er nun hochtechnisiert arbeiten oder die Malerfaust wieder zum Einsatz bringen?

Doch Richter bewegt sich längst in anderen Sphären. Dem 31-jährigen Görlitzer hat es in New York neben den flächendeckenden "Light Units" an den Times Square-Fassaden, durch die der öffentliche Raum in den letzten Jahren zunehmend zur elektronischen Projektionsfläche wurde, vor allem das klassische amerikanische Filmgenre des Horror-Movies angetan. Aus einem solchen stammt auch die Figur seines Digitaldrucks, die einer Szene aus "Scream" entnommen ist. In dem Film dirigieren die Mörder ihre Opfer mittels Telefon in den Tod.

Das Böse wird nicht lokalisierbar, was sich mit Richters Bebobachtungen zum Massaker von Littleton deckt. Während seines Stipendiums kam es zu den tragischen Morden in einer scheinbar harmlosen High School in Colorado, doch schien die amerikanische Öffentlichkeit die eigentliche Schuld weniger bei den Attentätern als bei der etwa vom Internet ausgehenden Bedrohung zu suchen. Feinnervig hat der junge Künstler diese Veränderungen im sozialen Raum, die gesellschaftlichen Ängste vor dem Virtuellen aufgegriffen und in Bilder umgesetzt: leere "Billboards", die einfach mitten im Senatssaal stehen, und jene Szene aus "Scream", die sich in der Schwebe zwischen Angriff und Verteidigung zu befinden scheint.

Was das alles mit Dresdner Malerschule zu tun hat? Wohl nur noch wenig, aber viel mit einem, der auszog, das Mutterland des Kapitalismus kennen zu lernen. Dort habe er Renitenz gelernt, erklärt der Heimgekehrte: gegen Kommerz und "mainstream". Bleibt zu hoffen, dass sein "Echo" im lieblichen Elbtal nicht verhallt. Für sich selber ist Richter durchaus zuversichtlich: "In Dresden provoziert gerade die Verschlafenheit."Hochschule für Bildende Künste, Dresden, bis 20. Februar; Katalog 10 Mark. Anschließend bis 1. April Ausstellung in der Dresdner Galerie Gebr. Lehmann, Görlitzer Straße 16.

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