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Kultur: Angry Young Man

Wohl kein Werk Dmitri Schostakowitschs hat von der Aufführungshäufung zu seinem hundertsten Geburtstag in diesem Jahr so stark profitiert wie sein erstes, 1955 uraufgeführtes Violinkonzert. Und das durchaus zu Recht: Kaum ein Stück fokussiert die innere Emigration Schostakowitschs in der Spätzeit der Stalin-Ära so eindringlich – und kaum ein Instrument scheint für die Verkörperung eben dieser Seelentöne so geeignet wie die Violine.

Wohl kein Werk Dmitri Schostakowitschs hat von der Aufführungshäufung zu seinem hundertsten Geburtstag in diesem Jahr so stark profitiert wie sein erstes, 1955 uraufgeführtes Violinkonzert. Und das durchaus zu Recht: Kaum ein Stück fokussiert die innere Emigration Schostakowitschs in der Spätzeit der Stalin-Ära so eindringlich – und kaum ein Instrument scheint für die Verkörperung eben dieser Seelentöne so geeignet wie die Violine.

Die Verbindung extremer Ausdruckstiefe mit mindestens so extremen technischen Ansprüchen scheint vor allem auf junge Geiger eine geradezu magische Anziehungskraft auszuüben: Baiba Skride und Leila Josefowicz, Daniel Hope und Sarah Chang, sie alle haben in diesem Jahr Einspielungen des gewichtigen 40-Minüters vorgelegt. Die vielleicht überzeugendste Neuaufnahme stammt allerdings vom jüngsten Teilnehmer in diesem virtuellen Violinvirtuosenwettbewerb: Gerade mal 21 Jahre zählt der Armenier Sergey Khachatryan, der nun für das französische Label naive beide Schostakowitsch-Violinkonzerte mit Kurt Masur eingespielt hat.

Khachatryan bildet gewissermaßen den Gegenpol zur sportlich-virtuosen Sarah Chang: Von Anfang an fasziniert sein magisches Pianissimo, sein überaus filigraner Ton, der nicht nur von Schönheit, sondern auch von Verletzlichkeit kündet. Das bekommt übrigens gerade auch den schnellen, oft in bloßer Bravour erstarrenden Sätzen sehr gut. Bei Khachatryan nämlich bekommen diese so den Gestus einer sarkastischen Trotzreaktion.

Heute Abend spielt der Jungstar, der einmal Stipendiat der Anne-Sophie-Mutter-Stiftung war, sein Leib-und-Magen- Stück zusammen mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester und Marek Janowski in der Philharmonie.

Gänsehaut garantiert.

Jörg Königsdorf

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