zum Hauptinhalt
Anne-Sophie Mutter

© Hoffmann/DG

Anne-Sophie Mutter in der Philharmonie: Lausch' noch eine Weile

Ihr Spiel ist ausgeglichen, warm und von edler Resonanz: Anne-Sophie Mutter hält bei ihrem Auftritt in der Philharmonie die Zeit an.

Zu den Gaben von Anne-Sophie Mutter gehört gewiss auch die Fähigkeit, die Zeit aufzuhalten. Eine ganze Generation von geigenden Fräulein-Wundern ist herangewachsen, seit sie vor 35 Jahren ihre Karriere begann. Doch eine mädchenhafte Ausstrahlung hat sich die Frau mit dem blauen Wassernixenkleid, die mit ihrem langjährigen Klavierbegleiter Lambert Orkis das Philharmonie-Podium betritt, locker bewahrt. Kann sie schon dadurch ein angenehmes Gefühl der Sicherheit erzeugen, so ist es doch erst recht ihr Ton: Was auch immer auf dem Programm steht – der vollkommenen Ausgeglichenheit, Wärme und edlen Resonanz ihres Spiels darf man gewiss sein.

Sehr gut verbindet sich dieser Ton mit Johannes Brahms’ A-Dur-Sonate op. 100, deren lyrischer Duktus sich angeblich der Bewunderung des ewigen Junggesellen für die Altistin Hermine Spies verdankt. Doch Mutter reduziert das Stück nicht auf diese Stimmung, sondern sorgt für eine leise durchgehende Spannung, indem sie immer wieder fragende Figuren und geisterhafte Momente herausarbeitet. Einen ähnlichen Ansatz, der auf schroffe Zuspitzung von Konflikten verzichtet und Kontrast gerne durch somnambule Eintrübungen und seufzende Portamenti schafft, verfolgt die Geigerin auch in Beethovens G-Dur-Sonate op. 96, wobei sie durch differenzierte Farbgebung dafür sorgt, dass diese Effekte auch auf Dauer nicht als Masche wirken. Lambert Orkis weiß den duftigen Geigenklang in dem auf dem Papier durchaus spröden Klaviersatz zu spiegeln, doch bleibt er in der Haltung wie auch bei Brahms letztlich doch mehr ein begleitender und nicht impulsgebener Partner.

Anne-Sophie Mutter hält noch einmal die Zeit an

Ein gelungenes Plädoyer für Ottorino Respighis Violinsonate h-moll, die in ihrem rhapsodischen Charakter und in ihrem Schwanken zwischen spätromantischen und impressionistischen Klängen etwas an Stummfilmmusik erinnert, halten Mutter und Orkis nach der Pause. Bei einer der letzten Zugaben, mit denen Mutter das Publikum nach dem Feuerwerk von Ravels „Tzigane“ überrascht, hält die Geigerin noch einmal wie von Geisterhand die Zeit an: Ein älterer Herr, schon halb zum Gehen gewandt, bleibt malerisch in regungsloser Aufmerksamkeit vor dem Podium stehen, während die Besucher auf den Treppen vor den Saaltüren zu pittoresken Gruppen atemlos Lauschender erstarren.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false